Ludwigshafen Der Pirat und das „Plagiat“

23 von 26 Tagesordnungspunkten sind abgearbeitet, viereinhalb Stunden Sitzung ins Land gezogen, die Politiker in der Sauna Stadtratssaal sehnen sich nach einem schnellen Endspurt und sind längst im Feierabendmodus – da macht ihnen Heinz Zell, der bei der grünen Fünfer-Fraktion angedockte Pirat, einen Strich durch die Rechnung. Mit seinem Antrag heizte er die fast schon zum Erliegen gekommene Diskussionsbereitschaft wieder an und sorgte am Montagabend „für einen Knaller“, wie CDU-Fraktionschef Torbjörn Kartes später süffisant meinte. Was war geschehen? Zell forderte einen Datenschutzbericht für die Verwaltung und die verbundenen Unternehmen, weil „durch die massive Einführung der elektronischen Datenspeicherung die sichere Handhabung von personenbezogenen Daten zum Schutz der Betroffenen immer wichtiger wird“ – und das war nur ein kleiner Auszug der ausschweifenden Begründung. Klingt auf den ersten Blick so, als ob sich der gute Herr Zell nächtelang den Kopf darüber zerbrochen hat, wie er das Papier ausformuliert. Hat er aber nicht – will jedenfalls Christdemokrat Kartes recherchiert haben. Zunächst einmal rieb er Zell – wie im Anschluss die SPD-Kollegen – unter die Nase, dass der Aufwand und die Kosten für einen solchen Bericht unüberschaubar seien. „Wir brauchen keine Lex Ludwigshafen.“ Noch-AfD-Mann Andreas Kühner stieß ins selbe Horn: „Das dient keinem und macht einen Haufen Arbeit.“ Und sein Fraktionschef Jörg Matzat setzte noch einen drauf: „Dieses Bürokratie-Monster würde die Verwaltung überfordern.“ Was den Juristen Kartes aber viel mehr wurmte als diese in seinen Augen sinnlose Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, war der am Ende abgelehnte Antrag selbst, dessen Textbausteine er vor der Sitzung gegoogelt hatte und prompt fündig wurde: im Netz des 40.000-Einwohner-Städtchen Würselen bei Aachen. Dort hatte der FDP-Ortsverband am 3. September 2009 einen nahezu identisch artikulierten Wunsch an den „sehr geehrten Bürgermeister Arno Nelles“ gerichtet. Das naheliegende Fazit von Chefaufklärer Kartes: „Das stimmt zu 90 Prozent überein, das ist ein Plagiat.“ In der Union kennt man sich damit ja bestens aus. Selbst der Linke Liborio Ciccarello schwang sich auf den Zug der Empörung. „Ich halte das für ein wichtiges Thema. Auf der anderen Seite schreiben Sie einfach ab“, brüskierte er sich über Zell. Der wiederum war sich keiner Schuld bewusst. „Ich habe mich ja nicht um eine Doktorarbeit beworben“, konterte Zell, räumte aber ein, sich bei der Formulierung im digitalen Piraten-Kommunalarchiv bedient zu haben. Was aber nichts Anrüchiges sei, da die Forderungen auf Ludwigshafen übertragbar seien. Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) klinkte sich schließlich auch noch in die Debatte ein. „Nicht, dass der Eindruck entsteht, hier liegt etwas im Argen.“ Die Verwaltung verfüge über einen Datenschutzbeauftragten sowie über einen IT-Sicherheitskoordinator. Mag ja sein. Den Hacker-Angriff im Juni auf die Kfz-Zulassungsstelle konnte aber auch dieses Duo nicht verhindern.

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