Ludwigshafen „Das ist der Tüv für den Sportler“

Kugelstoßen gehört zu den Disziplinen beim Sportabzeichen dazu. Doch Trendsportarten kommen immer mehr in Mode.
Kugelstoßen gehört zu den Disziplinen beim Sportabzeichen dazu. Doch Trendsportarten kommen immer mehr in Mode.
Frau Walther-Thiedig, warum stellen sich jedes Jahr am 27. Dezember so viele Menschen in Ludwigshafen in die Leichtathletik-Halle, um das Last-Minute-Sportabzeichen zu machen, nachdem sie sich zuvor drei Tage lang den Bauch vollgeschlagen haben?

Vielen fehlt eben noch ein bisschen was. Sie müssen noch eine, zwei oder drei Disziplinen erfolgreich ablegen, um das Deutsche Sportabzeichen zu bekommen. Das kann daran liegen, dass sie die geforderten Leistungen bisher nicht geschafft haben, aber auch daran, dass sie im Urlaub oder krank waren. Studenten haben auch oftmals keine Zeit, zu den Sportabzeichen-Terminen zu kommen und machen dann alles auf einmal. Und nie beschwert sich jemand, dass, so direkt nach Weihnachten, nicht gerade der ideale Termin ist? Im Gegenteil. Es sind zum Beispiel einige Ärzte aus dem Klinikum dabei, die sagen, es ist der ideale Termin für sie, weil sie endlich mal Zeit haben. Sind viele, die sich am 27. Dezember noch am Sportabzeichen versuchen, das Jahr über nicht fleißig genug? Ja, solche gibt es auch. Aber viele nutzen auch die Chance, um sich noch mal zu verbessern. Und es kommen auch viele Familien. Da hat dann zum Beispiel der Vater die geforderten Leistungen schon erbracht und bringt nun Frau und Kinder mit. Die versuchen dann, das Familiensportabzeichen zu bekommen. Wie ist die Idee für das Last-Minute-Sportabzeichen eigentlich entstanden? Vor zehn Jahren haben mich viele Leute zu Beginn des Winters gefragt, ob sie ihr Sportabzeichen noch machen können. Dann habe ich gesagt, wir bieten das nur bis Ende September, Anfang Oktober auf dem Platz an. Aus diesen Gesprächen ist mir dann allerdings die Idee mit dem Last-Minute-Sportabzeichen gekommen. Im ersten Jahr waren es mehr Prüfer als Teilnehmer. Und dann wollten Sie die Veranstaltung schon aufgeben? Ja, aber Wolfgang van Vliet, der Sportdezernent der Stadt Ludwigshafen, hat mich dann überredet, es weiter zu versuchen. Im zweiten Jahr waren es dann auch schon doppelt so viele Teilnehmer und irgendwann über 100. Viele Sachen geraten dann letztlich irgendwann aus der Mode. Warum ist das Deutsche Sportabzeichen noch immer „in“? Die Leute wollen einfach gerne ihre Leistung überprüfen, wollen vergleichen, ob sie in der Lage sind, mehr als im vergangenen Jahr zu leisten. Gibt es beim Deutschen Sportabzeichen viele „Wiederholungstäter“? 98 Prozent machen das Sportabzeichen regelmäßig. Der Rest sind zum Großteil Personen, die das zum Beispiel für die Aufnahmeprüfung bei Polizei, Feuerwehr oder Zoll brauchen. Von denen kommen auch viele zum Last-Minute-Sportabzeichen. Auch aus der ganzen Pfalz oder von der anderen Rheinseite. 2013 gab es eine Reform des Deutschen Sportabzeichens. Seitdem kriegt man das Abzeichen in Gold nicht mehr automatisch ab der fünften Ablegung, sondern nur noch, wenn die Leistung stimmt. Wie fällt Ihr Urteil fünf Jahre nach der Reform aus? Viele Ältere sind uns verloren gegangen, weil sie gesagt haben, wenn ich kein Gold mehr bekomme, mache ich nicht mehr mit. Wir haben dafür aber viele junge Menschen und Jugendliche dazugewonnen. Ich denke, da spielt auch eine Rolle, dass sie Gold nun schon im ersten Anlauf schaffen können. Wird das Deutsche Sportabzeichen auch in 50 Jahren noch „in“ sein? Ich glaube schon. Das Deutsche Sportabzeichen ist schließlich der Tüv für den Sportler. Müssen Ihrer Meinung nach auch einmal Trendsportarten aufgenommen werden? Das kann sicherlich schon mal passieren, da ändert sich ja immer mal etwas. Früher war zum Beispiel Gewichtheben dabei. Da kamen dann Leute, die konnten keine Kugel stoßen, aber ein Gewicht über den Kopf stemmen. Und Inlineskating gab es auch mal. Bei uns in Ludwigshafen ist das sehr gut angenommen worden. Aufgrund vieler Unfälle ist es gestrichen worden.

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