Ludwigshafen „Wir brauchen eine starke A-Nationalmannschaft“

Herr Beppler, wie sieht denn der typische Arbeitsalltag eines Chefbundestrainers aus?

Den gibt es so nicht. Ich mache wirklich alles: Konzeptionelle Arbeit, Leute miteinander vernetzen, mit meinen Trainern schauen, was Thema in den einzelnen Mannschaften ist, Zusammenarbeit mit der Sportfördergruppe und Sichtungen auswerten. Dazu kommt das Operative, also die Arbeit in den Lehrgängen mit den Mädels und Jungs. Jetzt im Sommer stehen die großen Turniere an, da werde ich bei fast allen dabei sein. Und dann geht es auch schon los mit der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2019. Das ist wirklich eine vielschichtige Arbeit. Obwohl ich das gar nicht als Arbeit empfinde. Ich habe in dem Moment aufgehört zu „arbeiten“, als ich Lehrer geworden bin. Ich kann einfach genau das machen, was ich möchte – egal, ob als Lehrer oder jetzt als Trainer. Können Sie eine Bilanz über das erste halbe Jahr im Amt ziehen? Im Moment arbeiten wir vor allem an den Strukturen. Wir haben im Dezember unsere neue Rahmentrainingskonzeption veröffentlicht und dafür auch einen Innovationspreis des Deutschen Olympischen Sportbunds bekommen. Darin geht es vor allem darum, nicht nur Begrifflichkeiten in den Lehrplan zu schreiben, sondern diese auch umzusetzen. Wir brauchen Trainer, die sich mit ihrem Job intensiv auseinandersetzen und hinterfragen, was sie machen können, um besser zu werden. Außerdem haben wir der Persönlichkeitsentwicklung von Spielern einen ganz großen Bereich gewidmet, den es vorher so nicht gab. Zum Beispiel brauchen wir Coaches, die sich nicht nur als Experte für Schlagwürfe verstehen, sondern auch über die Spieler Bescheid wissen und ihnen helfen, auch bei Rückschlägen weiterzumachen. Das ist die große Kunst – individuell vorzugehen. Wie sieht es also beim Nachwuchs des deutschen Handballs aus? Generell muss ich sagen, dass die Sichtungen in den letzten vier Jahren nicht mehr so stark vom Mannschaftsergebnis abhängig sind. Das hat den Vorteil, dass auch jemand, der in einem schwachen Team oder in einem relativ schwachen Verband spielt, trotzdem auffallen kann. Dadurch haben wir sehr viele gute Talente gefunden. Zum Beispiel ist die weibliche A-Jugend im letzten Jahr Europameister geworden und die männliche B-Jugend hat die Europäischen Jugendspiele gewonnen. Aktuell ist unser wichtigster Punkt, dass wir zwar Spitzenspieler oben in der Bundesliga oder in der A-Mannschaft unterbringen. Aber wir möchten zum einen, dass das früher geschieht, und zum anderen, dass wir noch mehr Leute an diese Schwelle bringen. Außerdem sollen die Spieler gesund und leistungsstark sein. Wir haben nämlich in der A-Jugend ganz viele Sportler, die gleich mehrfach belastet sind. Sie spielen zum Beispiel sowohl in der A-Jugend-Bundesliga als auch in einer Drittligamannschaft und schreiben parallel dazu auch noch ihr Abitur. Da sind dann viele gezwungen, einen verzögerten Weg nach oben zu nehmen – oder sie kommen erst gar nicht dort an. Was wollen Sie dem entgegensetzen? Wir haben zum Beispiel momentan eine Reform der Jugendspiele angepeilt, da die Leistungsstruktur der A-Jugend-Bundesliga sehr heterogen ist – zu viele Spiele enden dort mit mehr als zehn Toren Differenz. Dadurch müssen talentierte Spieler viel zu häufig eine Altersklasse weiter oben spielen und werden so zu stark belastet und regenerieren zu wenig. Auch das Training, das der entscheidende Faktor ist, um Talente überhaupt erst besser zu machen, kommt dann zu kurz. Deswegen wollen wir zum einen die Trainerausbildung in dem Bereich verbessern, aber eben auch die Strukturen. Immer mehr Vereine werden zu Spielgemeinschaften zusammengelegt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Sicherlich können wir feststellen, dass es einen Mitgliederrückgang im Deutschen Handball Bund gegeben hat. Deswegen hat der Verband einen hauptamtlichen Referenten für Mitgliedergewinnung eingesetzt. Trotzdem liegt man falsch, wenn man denkt, dass diese eine Person es schaffen kann, alleine die Mitgliederzahlen wieder steigen zu lassen. Die Landesverbände und Bezirke haben da auch ihre Verantwortung und müssen regionale Lösungen finden. Was wir aber beobachten ist, dass es immer wieder positive Ausschläge gibt, wenn die Nationalmannschaft erfolgreich ist. Als Deutschland beispielsweise 2007 Weltmeister geworden ist, gab es einen deutlichen Zuwachs. Bei den Erfolgen der weiblichen A- und der männlichen B-Jugend im vergangenen Jahr waren die Spieler und Spielerinnen um die 16 Jahre alt. Das sind also jene, die beim Titelgewinn etwa sechs Jahre alt waren. Man sieht also, dass das etwas ausgelöst hat. Wenn wir diese Sportart voranbringen wollen, brauchen wir eine starke A-Nationalmannschaft. Das heißt, wir müssen den Breiten- und den Spitzensport in Abhängigkeit zueinander sehen. Nur wenn wir die Breite haben, bekommen wir eine gute A-Mannschaft. Aber nur wenn wir auch schauen, wie wir aus der Breite gute Leute nach oben bekommen, können wir wieder eine erfolgreiche A-Mannschaft stellen. Was wünschen Sie sich für den deutschen Handball in Zukunft? Ich wünsche mir Erfolge, weil Leistungssport nicht ohne diese funktioniert. Aber auch, dass die Begeisterung und der Enthusiasmus in Schulen sowie im Amateur- und Leistungssport für unsere Sportart weiter wächst. Wenn sich Spieler und Funktionäre immer wieder klar machen, was sie im Inneren antreibt, dann kann man diese Begeisterung herüberbringen. Für mich selbst habe ich das mit dem Leitspruch „Leistung gemeinsam entwickeln“ beantwortet. Also sowohl die Orientierung hin zur Spitze als auch das Wissen, dass ich das nur mit anderen zusammen machen kann. Ich bin als Trainer kein Einzelkämpfer, sondern muss mich vernetzen und bereit sein, Kompetenzen zu teilen und abzugeben. Und zu guter Letzt „Entwicklung“: Aus guten Spielern sehr gute zu formen, das können viele. Aber auch vermeintlich weniger talentierte Spieler zu entwickeln, ist eine lohnenswerte und herausfordernde Aufgabe.

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