Ludwigshafen Von Klebeband zu Klebeband

Das Duo Jonas Frey/Joseph Simon löst in seinen „Infinite Games“ ein, was der Titel verspricht: Man möchte endlos zuschauen. Nach Vorstellungen in Heidelberg und Rotterdam konnte man das jetzt auch im Mannheimer EinTanzHaus erleben.

Das spielerische Miteinander der beiden Tänzer bezaubert durch Dynamik, Fantasie und Bewegungsästhetik. In seiner schwerelos heiteren Sinnlichkeit enthält es die ganze hohe Philosophie des Spiels. Der Heidelberger Jonas Frey, der La_Trottier Dance Collective angehört, und der Niederländer Joseph Simon sind seit ihrem Studium an der ArtEZ School of Dance im niederländischen Arnheim miteinander befreundet. Sie sind zeitgenössische Tänzer und zugleich verwurzelt im Hip-Hop, Urban Dance oder wie immer man diesen jungen Tanzstil nennen will. Die Bewegungssprache des Hip-Hop ist inzwischen zu einer Inspirationsquelle für den Bühnentanz geworden. Frey und Simon schöpfen daraus mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie aus dem zeitgenössischen Tanzvokabular. Ihre Choreografie haben sie in Heidelberg und Rotterdam erarbeitet. Mit der melodiösen Musik von Peter Hinz und Steffen Dix, sowie der Mitarbeit von Schauspieler/Maler Cédric Pintarelli an der Bühnenausstattung ist die Rhein-Neckar-Region deutlich stärker in der Produktion involviert. Die Bühne ist ein vegetabil anmutendes Spielfeld von Linien aus weißem Klebeband. Die meisten sind vorgeklebt; eine, die choreografisch besonders wichtig ist, wird während des Tanzens geklebt. Des Weiteren kommen brauner Karton und zwei weiße Plastikfolien zum Einsatz. Die Mittel sind einfach, die bildkünstlerische Wirkung ist stark. Mit allem wird getanzt: Tanz ist das Spiel. Entlang der live geklebten Diagonallinie in paralleler und gegenläufiger Bewegung als ein freundschaftliches Geben und Nehmen. Unvergesslich bleibt, wie vier Arme und vier Händen in den charakteristisch eckigen Abwinkelungen des Breakdance Muster in der Luft bilden. Die Bewegung ist nicht roboterhaft, sondern auf bildkünstlerische Wirkung zielgerichtet. In dynamischem Fluss verflechten sich die Hände als Signal von Verbundenheit. Jubel im Publikum entfacht Jonas Frey, wenn er in riesenlangen Sätzen von Klebebandrolle zu Klebebandrolle hechtet, wie einer, der von Stein zu Stein über einen Bach springt. Und auch die Ruhepausen sind für den Zuschauer voller Spannung: die Folien werden zu Mänteln für königliches Schreiten oder zu Eisbergen, die über die Fläche rutschen. Das Spiel beginnt mit einem Vorspiel im Foyer und endet im Unbestimmten zwischen Abbruch, Versanden und virtueller Fortsetzung. Es läuft nach dem Prinzip, dass für jedes Kästchen im Parcours – hier jeden Standort auf der Bühne – eine Regel festgelegt ist. Im Parcours des Lebens ist das ja schließlich auch so. Dass einem das bewusst wird, liegt vielleicht nicht zuletzt an der Aura des Kirchenraums, der nun EinTanzHaus heißt und wohl die schönste Spielstätte Deutschlands ist.

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