Ludwigshafen „Ludwigshafener, seid stolz auf uns!“

Auf dem Vorplatz zum Kulturzentrum das Haus kann man ab sofort auf Hofmöbeln die Füße baumeln lassen (hier Lorena Elvira und Mor
Auf dem Vorplatz zum Kulturzentrum das Haus kann man ab sofort auf Hofmöbeln die Füße baumeln lassen (hier Lorena Elvira und Moritz Leiner) und die Typographie-Ausstellung im Container besichtigen.

Mittags sieht es noch so aus, als hätte ein Schiff hier versehentlich einen Container verloren. Aber der Metallkasten wurde ganz bewusst hier auf den Platz vors Kulturzentrum das Haus geliefert. Abends stehen denn auch seine Tore weit geöffnet, nackte Glühbirnen strahlen ein heimeliges Licht auf die Papierbahnen voll bunter Buchstaben-Fragmente, und es duftet nach Sägespänen. Das ist das Popup-Lab, in dem sich Kreative künftig austoben können, kostenlos, ohne Miete zu zahlen. Sie müssen nur einen Überlassungsvertrag beim Kulturbüro unterschreiben, um zu garantieren, dass sie sich darum kümmern. Wer zum Beispiel eigene Werke ausstellen oder selbstgenähte Handtaschen verkaufen möchte, kann das in dem zentral gelegenen Raum für einige Wochen ausprobieren. Die Hiphop-Jungs von den Harfenklängen haben ihn schon ab Juni gebucht, für das Projekt Stolpersteine wird eine Sprecherkabine eingerichtet und bis Mitte Juli belegt das Buero für angewandten Realismus den Ausstellungsraum, der immer zu den Öffnungszeiten des Kulturbüros für Besucher offensteht. Warum dieser Container, wenn es genug leerstehende Geschäfte gibt? Eigentlich suchte Kulturamtsleiter Fabian Burstein erst nach einem verlassenen Laden, fand aber keinen. Obwohl die Stadt Miete bezahlen und nichts renoviert haben wollte, hätten manche gesagt, es sei günstiger, den Raum leer stehen zu lassen. Andere störten sich an der Befristung für ein Jahr. „Davon wollten wir uns nicht ausbremsen lassen“, sagt Burstein, kaufte den Container, telefonierte herum und fuhr mit ein paar Leuten in den Baumarkt, um den Raum auszurüsten. „Wir werden niemals die schönsten, teuersten Sachen aus dem Reagenzglas hinstellen, aber wir haben als Kulturbüro ein superstarkes Netzwerk, um das uns Mannheim beneidet.“ Die Kunstszene müsse sich allerdings untereinander noch mehr vernetzen, meint Burstein. „Weniger Verteilungsneid, weniger Argwohn, stattdessen stärker an einem Strang ziehen.“ Im Moment hätten viele Ludwigshafener Kulturschaffende das Gefühl, dass sie in der Stadt zu wenig wertgeschätzt würden. Das ist ein Ergebnis aus den Gesprächen mit rund 20 Kulturschaffenden, Engagierte und Sponsoren, die der Kulturbüroleiter in den vergangenen Monaten in Vier-Augen-Gesprächen geführt hat. „Ludwigshafen ist eine große Arbeiterhochburg“, so erklärt sich Burstein diesen mangelnden Stolz. „Wir haben kein Bildungsbürgertum, das sich mit Künstlern schmückt.“ Um die Kreativität mittendrin sichtbar zu machen, wird der Container auf den Vorplatz gepflanzt, dort wo auch schon das Hausboot-Café erfolgreich Gäste anlockt – als Initiative der Stadt. Burstein hofft, dass dadurch andere animiert werden, ein paar Blocks weiter auch etwas auszuprobieren. Vielleicht wie das Kulturcafé Franz und Lissy, das im Stadtteil Süd demnächst eröffnet wird. Nachdem viele Lokale in den vergangenen Jahren im Hemshof dicht gemacht haben, fehlt ein Szeneviertel – noch so ein Mangel, auf den die Kulturschaffenden in den Gesprächen hingewiesen haben. „Wir brauchen eine hungrige Pioniergeneration, die solche Viertel entwickelt“, sagt Burstein. „Jetzt kann man diese Stadt im Umbruch mitgestalten. In zwölf Jahren wird sie völlig umstrukturiert sein.“ Dass Ludwigshafen zur „hässlichsten Stadt Deutschlands“ gekürt wurde, darf die Bürger und Kreativen nicht entmutigen. Im Gegenteil, die Stadt soll ihren industriellen Charme noch stärker ausspielen und als Alleinstellungsmerkmal offensiver nutzen, hat sich Burstein vorgenommen. „Wir sind nicht bereit, uns für das zu entschuldigen, was wir sind.“ Für einen vitalen Kulturstandort sei allerdings ein funktionierendes Radwege-System, die Einbindung der Hochschule und eine liebevolle Gestaltung des öffentlichen Raums notwendig, meinten die Kulturschaffenden in der nicht-repräsentativen Umfrage. Schon jetzt formuliere das Kulturbüro immer wieder „gefragt und ungefragt Ideen für Gebäude und Orte“, sagt Burstein. Und von den Kulturschaffenden sei nun ganz klar gefordert worden. „Mischt euch ein!“ Es hapere insbesondere an der „Verweilkultur im öffentlichen Raum“, und das geht das Kulturbüro vor der eigenen Haustür an. Auf dem Platz vor dem Haus kann man ab sofort auf knallgrünen Kunststoffbänken entspannen. Die exzentrischen MQ Hofmöbel, die nach dem Baukastensystem gestapelt oder zusammengesetzt werden können, haben schon die Stadt Wien in ein Freiluftwohnzimmer verwandelt, erzählt Burstein. „Wir sind von der Sehnsucht getrieben, den Vorplatz zu einem sozialen Treffpunkt machen, an dem sich die Menschen treffen und nicht nur beäugen.“

Der Grafiker Werner Vogel bespielt als erster das Popup-Lab.
Der Grafiker Werner Vogel bespielt als erster das Popup-Lab.
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