Ludwigshafen Lässiger Swing und schöne Melodien

Hervorragend: Nicole Metzger und ...
Hervorragend: Nicole Metzger und ...

Mit Jörg Seidel und Nicole Metzger hatte das Jazz-am-Turm-Festival in Ludwigshafen zwei hervorragende Sänger eingeladen. Seidel kam mit seinem Trio, Metzger wurde von der Kicks’n’Sticks Big Band begleitet. Beide Abende waren großartig.

Jörg Seidel ist Sänger und Gitarrist – und man kann nicht sagen, was von beidem eindrucksvoller ist. Die Besetzung ist klein, Bass spielt Davide Petrocca, am Klavier sitzt Thilo Wagner. Beide sind ausgewiesene Fachleute in Sachen Swing. Petrocca spielte schon mit Bireli Lagrene und Charlie Antolini und war mit Monty Alexander auf Welttournee. Thilo Wagner hat man in der Region schon öfter mit dem Trio Bassface gehört. Wagner verbindet großartigen Swing mit enormer Virtuosität. Der Ehrenbürger der Stadt New Orleans hat schon eine Unzahl internationaler Jazzgrößen begleitet. Schlagzeug gibt es keines. Diese Art der Besetzung hat Nat King Cole bekannt gemacht und so gibt es auch einige Stücke dieses legendären „Vorfahren“, die Jörg Seidels Trio aufgreift. „Little Coquette“ ist dafür ein Beispiel. Schön lässiger Swing bringt die Zuhörer am Lutherturm schnell in Stimmung. Seidel singt nicht nur die Verse der alten Swing-Nummern, er improvisiert auch im Scat-Gesang. Das macht er mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Sicherheit. Wie ein Bebopper saust er durch die Harmonien, zaubert elegante Melodielinien. Auf seiner alten Ibanez-Jazzgitarre macht er das nicht minder großartig. Da spielt er Single-Note-Linien mit Präzision und harmonischem Geschmack. Die Virtuosität kommt nicht von ungefähr: Seidel hat sich viel mit Gypsy-Swing befasst und fünf Jahre im Quintett des Heidelberger Sinti-Geigers Wendeli Köhler gespielt. Bei dieser Art Musik ist Virtuosität Voraussetzung. Seine beiden Begleiter stehen dem in nichts nach. Wagner und Petrocca glänzen auch als Solisten. Die kleine Besetzung hört sich toll an, denn der Sound ist sehr transparent und swingt großartig. Wenn Wagner Solo spielt, macht er das oft nur mit der rechten Hand, Seidel schlägt dann öfter mal Viertel auf der Gitarre, ganz in der Manier von Freddie Green, dem Gitarristen der Count Basie Band. Wie der in Bremerhaven ansässige Seidel in die Pfalz gekommen ist, hat er selbst erzählt. Ausgangspunkt war demnach eine engagierte Diskussion auf Facebook, an der auch Christian Scheuber, der Kurator des Festivals, teilgenommen hat. Die beiden stritten heftig über Kulturpolitik. So habe Scheuber den Musiker erst entdeckt – und trotz unterschiedlicher Meinungen eingeladen. Bei der persönlichen Begegnung sei man sich sofort sympathisch gewesen und die folgende Jamsession habe neue musikalische und menschliche Bande geknüpft. Eröffnet wird der Abend von Jazz-Attack, der Big Band der städtischen Musikschule unter Leitung von Frank Runhof. Die jungen Musiker spielen moderne Arrangements und machen einen sehr guten Eindruck. Runhof leitet auch die Big Band Kicks’n’Sticks, die am zweiten Abend auftritt. Hier spielen Profi-Jazzer aus der Rhein-Neckar-Region und das Niveau ist entsprechend hoch. Die Arrangements sind allesamt sehr anspruchsvoll. Ein Beispiel dafür ist die Bearbeitung, die Bob Mintzer für „Caravan“, eine Duke Ellington Nummer, geschrieben hat. Besonderer Gast ist die Sängerin Nicole Metzger. Sie ist eine der wenigen Sängerinnen, die sich gegenüber einer Big Band wirklich behaupten können. Ihre Stimme, die gleichermaßen über Kraft und Sensibilität verfügt, ihre Ausstrahlung und ihr Auftreten, das fügt sich mit dem großen Klangkörper der Big Band ganz wunderbar zusammen. Bei der Ballade „The Summer knows“ singt sie die Melodie schön aus, lässt die Töne in ein geschmackvolles Vibrato einschwingen und wird vom Sound der Band wie in Samt und Seide gehüllt. „Comes Love“, in einem Arrangement des unvergessenen Peter Herbolzheimer, bringt schöne Dialoge mit Saxophonistin Cordula Harmacher. Bei einem Gassenhauer wie „Mackie Messer“ kann Metzger auch richtig hinlangen und mit jeder Strophe noch mehr Power in ihre Stimme legen. Ihre Reserven scheinen unerschöpflich. Beim „Stormy Monday Blues“ entdeckt sie Rudi Mader, Gründer der Big Band 70, im Publikum und reicht ihm das Mikrofon. Und Mader scattet mal eben zwei Chorusse und erntet begeisterten Applaus. Der Spaß, den Metzger mit der Big Band hat, ist offensichtlich. Die gute Laune überträgt sich auf die Zuhörer, die Sängerin und Big Band feiern. Eröffnet wird dieser zweite Abend von Lehrern der Städtischen Musikschule mit einem musikalischen Programm, das einen Bogen von der Klassik zur Moderne schlägt.

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