Ludwigshafen Auf Bildungsreise in Italien

Antje und Martin Schneider haben zusammen mit der Pianistin Angela Stoll ein kleines feines Publikum in der Ludwigshafener Stadtbibliothek begeistert. Das altmodische Format des literarisch-musikalischen Abends haben sie zu neuem Glanz gebracht anhand von Reisebriefen des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy und seiner Musik .

„Und wirklich ist es doch gar zu einzig schön hier!“ So ist der Tenor der Briefe an Eltern und Schwestern daheim. Der junge Mann von 21, 22 Jahren – zu Zeiten der Postkutsche dauerten Reisen ziemlich lange – schwärmt von der Novembersonne in Rom, von der antiken und gegenwärtigen Schönheit der Stadt, von Neapel, Florenz, Mailand, dem St. Gotthard. Er erzählt vom gesellschaftlichen Leben, von netten Menschen, die er kennenlernt, wie den freundlichen General von Erdmann und seine kunstsinnige Frau Dorothea. Er hält die Italiener, zu denen er aufgebrochen war, um sich zu bilden, für ziemliche Banausen. Er jammert über den Winter, in dem „Rom bei Regenwetter unglaublich unbehaglich“ ist. Selbstverständlich komponiert er und gibt zahlreiche Konzerte, die ihm den Weg in die gehobene Gesellschaft öffnen. Antje und Martin Schneider lesen sehr lebendig mit verteilten Rollen. Feiner Humor blitzt auf, hingerissenes Staunen, manchmal auch Ärger und Frust, aber die gehen bei dem für alles offenen, begeisterungsfähigen jungen Mann rasch vorüber. Sein Naturell, seine Gefühle, seine Gedanken werden in seiner Musik spürbar. Was Angela Stoll am Flügel zu Gehör brachte, ging weit über den gewohnten „musikalischen Rahmen“ hinaus. Antje und Martin Schneider nannten es „musikalischen Kommentar“. Die beiden sind in Berlin ansässig und Spezialisten für literarisch-musikalische Programme. Allein zu Mendelssohn Bartholdy haben sie noch zwei weitere im Repertoire. Sie wählen Texte und Musikpassagen aus; für den musikalischen Vortrag suchen sie die Zusammenarbeit mit Musikern. Martin Schneider war vormals Regisseur und Professor an der Musikhochschule „Hanns Eisler“, Antje Schneider Bibliothekarin und Rundfunksprecherin. Europa hatte eine ausgeprägte Briefkultur. Briefe und die ebenfalls auf Kommunikation ausgerichteten Tagebücher waren stilistisch ausgefeilt. Sie sind Literatur und hinterlassen der Nachwelt ein beredtes und exaktes Bild ihrer Zeit. So berichtet der zwölfjährige Mendelssohn vom morgendlichen Kuss, den er vom gönnerhaften Goethe bekommt, und einem Gedicht, das dieser zu einer Komposition seiner ebenfalls hochmusikalischen Schwester Fanny verfasst hat. Mendelssohns Lehrer und Förderer Carl Friedrich Zelter, der sich aus heutiger Sicht in einem Brief an Goethe nicht eben positiv über Juden äußerte, stellte seinen „Meisterschüler“ in Weimar vor. In den Briefen von 1830/31 wird die Italienreise, die seit Albrecht Dürers Zeiten zum Bildungskanon gehörte, auch kritisch hinterfragt. Neben dem persönlichen Erleben, das an erster Stelle steht, reflektieren sie die Bedeutung der Reise für die anvisierte Karriere. Mendelssohn ist auch ein früher Tourismus-Kritiker, sehr deutlich in einem Tagebucheintrag: „Ein anderer würde seinem Gott danken, dass er all das sehen darf. Und so will ich denn der Andere sein.“

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