Lokalsport Südpfalz Eine harte Nuss im Kastanienwald

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SCHWEIGEN-RECHTENBACH. Es soll mein zweiter Lauf über die 100-Meilen-Distanz werden, nach dem Ultratrail du Montblanc, den ich vor zwei Jahren bestritten habe. Dieser Ultratrail ist ein Einladungslauf. Wer dabei sein möchte, muss sich bei den Organisatoren Christine und Günther Bruhn um eine Einladung bewerben. 50 Einladungen haben sie ausgesprochen. Tatsächlich 44 Läuferinnen und Läufer sind am Samstag um 7 Uhr am Start am Deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach. Viele Läufer der Ultratrail-Szene kennen sich. Nach dem Start bilden sich schnell kleine Grüppchen. Vorjahressieger René Strosny aus dem hessischen Modautal nimmt als Erster Reißaus. Ich suche meine Position im Läuferfeld und spiele dabei geschwindigkeitsmäßig mit den Wegen und Pfaden. Nach der ersten Wasserstelle in Dörrenbach laufe ich mit Stefan Lang (Otterstadt), Michael Schmidt (Steinhagen) und Peter Gründling (Weisenheim am Berg), die ich bis dahin eher aus den sozialen Netzwerken kannte. Spannend wird es bei Leinsweiler: Einige Ziegen rennen der Gruppe hinterher, die sich nicht sicher ist, ob die gehörnten Tiere auf Läuferjagd gehen oder nur zufällig auf der gleichen Strecke unterwegs sind. Die Ziegen überholen und biegen auf eine Weide ein. Zwischen der Ruine Neukastell und dem Trifels lasse ich abreißen. Die Gruppe ist für mich zu schnell unterwegs, auch wenn es sich noch locker anfühlt. Im Wald und bei Tag ist die Navigation einfach, schließlich ist der Premiumwanderweg gut markiert und vom Weintor bis über die Kalmit liegen Teile des Weinsteigs auf einer meiner Trainingsstrecken. Kniffliger sind die Ortsdurchquerungen, wo die Markierungen zwar auch lückenlos sind, aber mal links oder rechts an Straßenschildern, Laternen oder Mauern kleben. In Annweiler muss ich erstmals das GPS-Gerät mit dem Track des Laufs zücken und stelle fest, dass ich eine Abbiegung übersehen habe. Bei dem Auf und Ab über Gräfenhausen, Eußerthal und Dernbach fühlt es sich an, als sei ich ewig unterwegs – und dennoch entferne mich nur langsam vom Trifels. Genießen kann ich die bunten Farben des Herbstwaldes, oft werden die Wege von unzähligen Kastanienigeln abgefedert. Am Dernbacher Haus, nach 56 Kilometern, ist die zweite der üppig ausgestatteten Verpflegungspunkte erreicht, dazwischen ist jeweils noch eine Wasserstelle. Die Läufer haben üblicherweise auch Eigenverpflegung und Zusatz- oder Wechselbekleidung im Rucksack. Für mich ist die Landauer Hütte ein besonderer Punkt. Damit kein Läufer die Runde über den Orensfels übersieht, sind Streckenposten eingesetzt. Diese Aufgabe haben Lauffreunde von der Landau Running Company übernommen, für die ich laufe. In Höhe von Burrweiler zieht Eva Schlüter aus Hatzenbühl, die führende Frau im Rennen, an mir vorbei. Bis zur Talstation der Rietburgbahn überholen wir uns mehrmals gegenseitig, ehe sie sich absetzt. Mit Einbruch der Dunkelheit mit der Stirnlampe auf dem Kopf, werde ich deutlich langsamer. Auch wenn ich noch von der Ortskenntnis profitieren kann: Die wurzeligen und felsigen Trails sind nicht zu unterschätzen und auch die breiten Forstwege können Stolperfallen aufweisen. In der Wappenschmiede bei St. Martin, wo Taschen der Läufer deponiert sind, rüste ich mich bekleidungsmäßig für eine kalte Nacht. Im Wald und auf den Bergen liegt die Temperatur bei drei bis vier Grad. Mit dem Kalmitgipfel ist nun der höchste Anstieg zu meistern. Auf dem Weg von der Hohen Loog zum Hambacher Schloss macht sich eine ungewöhnlich starke Müdigkeit breit. Die überraschende Anwesenheit von zwei Bekannten an der dortigen Wasserstelle muntert mich kurz auf. Beim Abstieg nach Neustadt bin ich nicht mehr so trittsicher unterwegs. Außerdem muss ich mich öfter mit dem GPS-Gerät versichern, noch auf dem richtigen Weg zu sein. Auf diesem Stück summieren sich deshalb zwei „Bonuskilometer“. Am Verpflegungspunkt in Neustadt gönne ich mir eine halbe Stunde Schlaf auf einem Feldbett. Ich habe genug Spielraum, um im Zeitlimit zu bleiben. „Wer hier weitermacht, schafft den Rest“, hatte es geheißen. Die Erholung hält für rund eine Stunde an und erleichtert den Aufstieg auf das Weinbiet, den ich zusammen mit Andreas Spieckermann aus Düsseldorf bewältige. Spieckermann hält sich mit Musik auf den Ohren fit und gewinnt Vorsprung. Obwohl die Beine noch fit und locker sind, wird mir bewusst, dass ich mehr auf dem Weg herumeiere als laufe. Kein Zustand, um weitere 48 Kilometer zurückzulegen. Nach 114 Kilometern steige ich in Königsbach aus. Von den 44 Startern kamen 28 ins Ziel in Obersülzen. Der über 150 Kilometer führende Titelverteidiger René Strosny (21:56 Stunden) wurde auf den letzten Kilometern von Roland Stulz aus dem nordpfälzischen Morschheim (21:33 Stunden) überholt. Dritter wurde Jens Lukas aus Karlsruhe (23:56 Stunden). Schnellste Frau war Eva Schlüter aus Hatzenbühl, die mit 30:23 Stunden ihren Titel verteidigte. Schlüter sagte, das Rennen sei ihr wegen der niedrigen Temperaturen härter vorgekommen als im Vorjahr. Die weiteren Läuferinnen stiegen vorzeitig aus, die beiden ausdauerndsten am vorletzten Versorgungsposten.

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