Kreis Südliche Weinstraße Blickpunkt: Das Fotoatelier Rummel in Germersheim: Soldaten und Krieg als Fotomotive

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Mit großem, schwarzen Kasten in der Hand und dem schweren Stativ unter dem Arm zog er durch die Straßen der Stadt. Ein stattlicher Mann mit einem breitkrempigen Hut, enganliegender Weste und modischer Krawatte. Er war eine stadtbekannte Persönlichkeit und im örtlichen öffentlichen Lebens in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stets präsent. Wichtige Ereignisse im Leben der Stadt, private Festlichkeiten, Porträts von Soldaten, die in Germersheim ihre Militärzeit absolvierten, aber auch Bildnisse von Bürgern, Straßenszenen und Alltäglichkeiten hielt der Fotograf Friedrich Rummel (1887 – 1967) mit seiner Kamera für die Nachwelt fest. Die anhaltende wirtschaftliche Blüte der Garnisonsstadt Germersheim in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte es mit sich gebracht, dass in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gleich mehrere Berufsfotografen von ihrem Handwerk leben konnten. Zu den „Pionieren“ am Ort zählten die Gebrüder August und Friedrich Rummel, die bereits ab 1879 in Germersheim tätig waren. Ihr Fotoatelier befand sich am Königsplatz/Ecke Ludwigstraße, quasi in bester Lage, am geschäftigen Schnittpunkt der Achsen, die die Kasernen, Geschäfte und Wirtshäuser des Städtchens verbanden, das mit einer Gesamtbevölkerung von rund 7000 Menschen aus allen Nähten zu platzen drohte. So wurde Georg Friedrich Rummel, als er am 26. Juni 1887 in Germersheim das Licht der Welt erblickte, bereits in eine Familie von „Photographen“ hineingeboren und kam schon früh mit all dem handwerklichen „Know How“ und dem Alltag eines Berufsfotografen in Berührung. Daher war es nur konsequent, dass er nach dem Besuch des Progymnasiums und der Fortbildungsschule eine Lehre absolvierte und nach der sich anschließenden Gehilfenzeit in Saarbrücken und Offenburg in das Geschäft seines Vaters eintrat. Der Vater, August Friedrich Rummel, hatte zu Beginn der 1890er Jahre in der Sandstraße ein Wohn- und Geschäftshaus gebaut, das im oberen Stockwerk – quasi als „Herzstück“ des Ganzen - das Fotoatelier beherbergte. Vermutlich trennten sich zu dieser Zeit die Wege der Gebrüder Rummel: Sein Bruder August betrieb weiterhin sein Atelier am Königsplatz. Wie die in der Sandstraße (heute befindet sich an gleicher Stelle der „Altstadtmarkt“) entstandene Aufnahmen zeigen, waren Teile der Decke und der zum Innenhof gelegenen Wand im Obergeschoss großflächig verglast, so dass das Atelier nicht nur ausreichend belichtet wurde, sondern die Intensität des einfallenden Tageslichts durch den Fotografen dem jeweiligen Bedarf entsprechend von Hand reguliert werden konnte – ideale Arbeitsbedingungen für einen Berufsfotografen, der auch sonntags zahllose Porträts von den Soldaten des Militärstädtchens fertigte: Infanteristen, Artilleristen und Nachschubsoldaten, die Braut und Familie in der fernen Heimat mit einem Foto von sich selbst in Ausgehuniform zu beeindrucken dachten, Reservisten, die kurz vor dem Ende des Wehrdienstes noch einmal für ein gemeinsames Erinnerungsfoto posierten oder die Herren Offiziere, die sich gerne auch hoch zu Ross ablichten ließen, um damit gesteigertes Selbstbewusstsein und elitäres Selbstverständnis nach außen sichtbar zu dokumentieren. Hatte Friedrich Rummel in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts schon damit begonnen, neben seiner Arbeit im Atelier auch das übrige Leben um ihn herum durch das Objektiv seiner Kamera zu betrachten, und dabei Außergewöhnliches und Alltägliches auf den damals üblichen großformatigen Glasplatten-Negativen festgehalten, so galt dies erst Recht, als man ihn zu Beginn des Ersten Weltkriegs 8. August 1914 zunächst zur „Ersatzreserve“ beim 18. Infanterie-Regiment in Landau einberief. Im Frühjahr 1915 erfolgte die Versetzung zu dem in Germersheim liegenden 17. Infanterie-Regiment „Orff“. Nach der Ausbildung in der „Seysselkaserne“ verlegte man seine Einheit 1916 an die Westfront. Im Tornister führte der Fotograf aus Passion einen Fotoapparat mit, der es ihm erlaubte, seine persönlichen Eindrücke von dem Krieg festzuhalten, der die Ära moderner Massenvernichtungskriege einleiten sollte. Ein privater Fotoapparat war in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs eine absolute Ausnahme und der Aufwand für den Fotografen, der noch mit Kassetten und Glasplatten arbeiten musste, war groß. Die damals entstandenen Aufnahmen werfen ein bezeichnendes Licht auf die Bedingungen und Alltäglichkeiten der einfachen Soldaten, die sich in den Schützengräben „eingerichtet“ hatten. Wie die belichteten Glasplatten-Negative wieder unbeschadet in die Heimat zur Entwicklung gelangten, ist heute nicht mehr bekannt. Der Fotograf selbst geriet jedenfalls im Jahr 1917 in englische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung, und nach Germersheim zurückgekehrt, heiratete er und übernahm im Jahr 1920 das Fotografengeschäft seines Vaters vollständig. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Friedrich Rummel erneut zum Militär eingezogen und als Leiter einer Fotoabteilung des Heeres in Landau, Metz und Berlin eingesetzt. Acht Jahre nach Kriegsende (1953) verlegte er seinen Wohnsitz von Germersheim nach Bad Dürkheim, wo er am 14. November 1967 im Alter von 80 Jahren starb. Einen Teil des fotografischen Werkes und Familienerbes – vor allem großformatige Glasplatten-Negative, deren Aufnahmen überwiegend in den Jahren vor 1914 in der Festungsstadt entstanden waren und zum Teil noch von seinem Vater bzw. den „Gebrüder Rummel“ stammten – hatte Friedrich Rummel noch zu Lebzeiten seiner Heimatstadt Germersheim überlassen. Andere Fotografien hingegen wurden beschriftet und feinsäuberlich in Alben eingeklebt und gerieten mit der Zeit in Vergessenheit. Ein Teil dieses fotografischen Nachlasses von Friedrich Rummel konnte 2014 der Vergessenheit entrissen werden. Vor dem Verlust bewahrt hat das Konvolut von Alben Renate Wittmann, eine ehemalige Germersheimerin, die seit einigen Jahrzehnten im US-Bundesstaat Nevada lebt. Sie fand die teilweise seltenen Aufnahmen im Nachlass ihrer 2013 in Germersheim verstorbenen Mutter.

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