Kreis Südwestpfalz „Wir wären sonst heute noch im Mittelalter“

Der 31. Oktober: Halloween − und sonst nichts? Da war doch noch was mit Martin Luther. Richtig, heute ist Reformationstag. Stefan Mendling, der Pfarrer der protestantischen Kirchengemeinden Wiesbach und Großbundenbach, sprach mit Steffi Blinn über Martin Luther, das Mittelalter und Irish Pubs.

Herr Mendling, was für ein Tag ist denn heute?

Halloween und Reformationstag. Jetzt haben Sie ja Halloween zuerst gesagt. Ich mache keine Wertung, indem ich das eine zuerst sage. Aber Halloween ist heute präsenter, es hat sich in den letzten Jahren eingebürgert. Wobei ich der Meinung bin, dass Halloween und Reformationstag miteinander zu tun haben. Wie denn? Bei beidem geht es um Angst. Martin Luther hat entdeckt, dass wir keine Angst haben müssen vor einem strafenden Gott. Damals im ausgehenden Mittelalter hatten die Leute viel Angst. Luther hat damit den Nerv der Zeit getroffen. Bei Halloween wollen sich die Leute fürchten, sie suchen den positiven Grusel. Das Thema Angst steckt also in beiden, im Reformationstag und in Halloween. Bei der Reformation vor 500 Jahren ging es um die Abschaffung der Angst. Halloween ist sozusagen die Wiederbelebung der Angst. Feiern Sie selbst Halloween? Sie sind zweifacher Papa, da kann man sich dem gruseligen Treiben, das bei den Kleinen so gut ankommt, doch kaum entziehen. Wir haben einen Kürbis vor der Tür stehen, den unsere Tochter Luise geschnitzt hat. Sie wird keine Süßigkeiten einsammeln gehen und sich auch nicht verkleiden. Sie freut sich eher auf St. Martin, dafür bastelt sie schon fleißig. Können Sie mit Halloween etwas anfangen? Das Fest hat seinen Ursprung in Irland, mit den irischen Einwanderern kam es dann nach Amerika. An Halloween bin ich gerne im Irish Pub: Dort ist passend dekoriert, und man merkt, dass das Fest aus Irland kommt. So richtig zum Kult wurde Halloween, als 1978 der Film rauskam, glaube ich. Den habe ich auch gesehen, der steht irgendwo bei mir im Regal. Die Bräuche, die es heute zu Halloween gibt, kommen alle im Film vor. Als Kinder hatten wir damit allerdings nichts zu tun: Wir feierten eher Hexennacht, die Nacht zum 1. Mai, wenn man durchs Dorf zieht und Streiche spielt. Aber derzeit geht’s ja offenbar nur noch um Halloween − mit Hexen, Geistern, Vampiren, Zombies, ... Leider wird im Zusammenhang mit dem 31. Oktober fast nur noch von Halloween geredet. Der Reformationstag gerät in Vergessenheit, samt Martin Luthers Errungenschaft. Vielleicht ist Halloween so beliebt, weil es etwas für Alt und Jung ist: Man kann sich verkleiden. Fasching ist ja eher nur was für Kinder − es sei denn, man lebt in einer Hochburg wie Mainz. Wobei der Reformationstag auch etwas sein sollte für Alt und Jung. Ich versuche, das zu vermitteln. Die Konfirmanden haben für den Reformationstag eine Reformations-Krippe aus Playmobil gebastelt und darin Szenen der Reformation nachgestellt. Damit wollen wir den Reformationstag für Jung und Alt begreifbar machen. Keine leichte Aufgabe. Sicher, das ist eine Herausforderung. Aber es geht nicht nur um die Ereignisse von vor 500 Jahren. Luthers Themen sind auch heute noch aktuell: Nicht Leistung steht an erster Stelle, sondern Gottes Gnade. Wir müssen uns fragen: Sollten wir die Leistungsgesellschaft nicht stärker hinterfragen? Und: Muss die Kirche nicht weiterhin reformiert werden? Können Sie sich eine Welt ohne Martin Luther vorstellen? Schwer zu sagen. Ich hoffe, dass Gott sich dann jemand anderen ausgesucht hätte für Luthers Erkenntnisse. Wenn es so jemanden nicht gegeben hätte − wir wären wohl bis heute nicht aus dem Mittelalter herausgekommen. Wären Sie dann auch Pfarrer geworden? Nein. Denn dann hätte ich ja nicht heiraten dürfen. Ich bin Pfarrer, weil Gott mich dazu berufen hat, und weil ich aus freien Stücken Ja dazu sagen konnte. In den Machtstrukturen der mittelalterlichen Kirche hätte ich mir das nicht vorstellen können. (sbn/Foto: Moschel)

x