Kreis Südwestpfalz Stählerne Hinterlassenschaft aus der Kaiserzeit

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Als „Relikt aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet Thomas Quirin vom Homburger Bauamt das knapp vier Kilometer lange Stück Bahngleis, das die Beeder Straße zwischen Homburg und Beeden kreuzt, den Industriebetrieb Thyssen-Krupp-Gerlach anbindet und von dort bis zum historischen Pfalzwerke-Kraftwerk zwischen Beeden und Schwarzenbach führt. Als Eigentümerin trägt die Stadt Homburg Verantwortung für das Gleis.

„Deshalb müssen wir alle dort anfallenden Aufgaben bewältigen – also Unterhalt und Reparaturen der Schienen sowie bei Bedarf das Auswechseln kaputter Signal- und Steuerungsanlagen“, erläuterte Quirin am Dienstagabend vor dem Ständigen Vergabeausschuss des Homburger Stadtrats. „Auch für die Beseitigung von Havarie- oder Sturmschaden haben wir die Verkehrssicherungspflicht.“ Spätestens seit sich der Frankenthaler Pumpenfabrikant Klein, Schanzlin & Becker (KSB) von seinem Homburger Werk an der Neuen Industriestraße vor den Toren Beedens zurückgezogen hat, wird das städtische Industriegleis heute fast nur noch von der stahlverarbeitenden Firma Thyssen-Krupp-Gerlach für Materialtransporte per Schiene genutzt. Alljährlich, so sagte Quirin zur RHEINPFALZ, rechne der Industriebetrieb der Stadt Homburg vor, wie viele Tonnen Material er im zurückliegenden Jahr über das kommunale Gleis befördert hat. „Daraus ergibt sich dann, wie hoch das Nutzungsentgelt ist, das die Stadt von Thyssen-Krupp-Gerlach bekommt.“ Für die Fälle, in denen mal die Pfalzwerke das Gleis brauchen, werde auch diesem Unternehmen eine Rechnung gestellt. „Um deutlich zu machen, worüber wir hier sprechen“, bemerkte Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD) vor dem Ausschuss: „Für die Unterhaltung unseres kompletten städtischen Straßennetzes haben wir pro Jahr nicht mehr als 500 000 Euro zur Verfügung. Dem stehen 80 000 Euro gegenüber, die alljährlich der Unterhalt dieser knapp vier Kilometer Schiene kostet. Sie sehen, das ist nicht gerade wenig.“ Natürlich, so fügte der Rathauschef hinzu, fließe diese Ausgabe dank der Gleis-Mietzahlungen von Thyssen-Krupp-Ger-lach weitgehend wieder zurück in die Stadtkasse. Zudem handle es sich hier ja immerhin um einen der wichtigsten Homburger Arbeitgeber. Ob es für die Stadt denn da nicht sinnvoll wäre, das Gleis der Firma kurzerhand zu schenken, wollte Ausschussmitglied Jochen Gunkel (CDU) am Dienstagabend wissen. In der Tat, so Schneidewind und Quirin, habe die Stadt dem Unternehmen schon vor Jahren entsprechende Vorschläge unterbreitet. „Aber die bezahlen wohl lieber ihr alljährliches Nutzungs-Entgelt und müssen dafür nicht die rechtliche Verantwortung für Gleiskörper und Signaltechnik übernehmen“, zeigte der OB Verständnis und verwies auf die beiden öffentlichen Straßen bei Beeden, die von den Industriegleisen an unbeschrankten Übergängen gequert werden. Zur Sprache gekommen ist die kommunale Bahntrasse am Dienstag, weil im Frühjahr der Vertrag zur ständigen Wartung des Schienenstranges mit einer Bahntechnik-Fachfirma ausläuft. Für die nächste Vertragsperiode vom 1. April 2016 bis 30. März 2019 gilt es also einen Partnerbetrieb zu finden, der im Namen der Stadt alle Unterhalts- und Reparaturarbeiten rund um das Industriegleis übernimmt. „Laut Vorschrift dürfen diese Arbeiten nur von Bahnbau-Fachfirmen mit DB-Zulassung ausgeführt werden“, erläuterte Thomas Quirin. Bauamtsleiter Roland Lupp: „Den Zuschlag darf außerdem nur eine Firma bekommen, die im Schadensfall schnell reagieren und sofort zur Einsatzstelle ausrücken kann. Denn stellen Sie sich mal vor, es kommt bei Thyssen-Krupp-Gerlach wegen Gleisschäden zum Produktionsausfall. Dann haben wir hier als Stadt aber so richtig ,Spass uff de Gass’!“ Übrigens, so ergänzte Lupp, handele es sich bei der Schienenstrecke bei Beeden gar nicht um das einzige Stück Industriegleis in städtischem Besitz: Es gebe auch noch eine Trasse vom Hauptbahnhof nach Bruchhof – in Höhe des Schwimmbades „Koi“. Weil die gesuchte Gleis-Wartungsfirma für die Schienen bei Beeden sowohl fachkundig als auch schnell verfügbar sein muss, einigte sich der Vergabeausschuss auf eine eingegrenzte Ausschreibung des Unterhaltungs-Auftrages unter einigen Bahn- und Baufirmen aus der ostsaarländischen Nachbarschaft. Auf Anregung des Ausschussmitglieds Marianne Bullacher (Allianz der Vernunft) soll nun noch geprüft werden, ob womöglich auch eine Gleisbau-Tochterfirma von Thyssen-Krupp als Teilnehmer am Bieterverfahren in Frage kommt.

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