Kreis Südwestpfalz Missbrauchsprozess: Sechseinhalb Jahre Haft

Der 51-jährige Zweibrücker, dem vorgeworfen wird, er habe die zehnjährige Tochter einer Bekannten mehrfach sexuell missbraucht, soll sechseinhalb Jahre ins Gefängnis. Dieses Urteil verkündete gestern Morgen der Vorsitzende Richter am Landgericht. Zwar gab es keine Zeugen der Taten, aber das Gericht glaubte den Schilderungen des Opfers. Die heute erwachsene Frau hatte vergangene Woche zum Prozessauftakt ausgesagt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Über 20 Minuten begründete der Richter das Urteil. In der Verhandlung hatten sowohl die Mutter des Opfers als auch andere Familienangehörige ausgesagt, sie hätten von den Taten nichts mitbekommen, und den Angeklagten als guten Freund geschildert. Da Aussage gegen Aussage stand, unterzog die Kammer die Angaben des Opfers einer genauesten Überprüfung. Das Mädchen kam im Rahmen eines Projektes für Missbrauchsopfer nach Irland. Dort war sie in einer intakten Familie untergebracht. In Gesprächen mit Pädagoginnen brach sie erstmals ihr jahrelanges Schweigen. Bei so genannten Biografiegesprächen berichtete sie erstmals ohne konkrete Ansprache über die desolaten Zustände in ihrem Elternhaus und die sexuellen Übergriffe des Angeklagten. Da sie zu diesem Zeitpunkt in einer Gastfamilie untergebracht war, die ihren Vorstellungen entsprach, sah die Kammer kein Motiv für das Mädchen, den Angeklagten mit falschen Vorwürfen zu belasten. Nach Aussagen der extra aus Irland angereisten Zeuginnen befand sich das Mädchen zu diesem Zeitpunkt in einer außergewöhnlich positiven Situation. In den drei Jahren in Irland war sie auf dem besten Wege, ihre eigene Zukunft gut zu gestalten. Auch seien die von ihr gemachten Aussagen über einen Zeitraum von vier Jahren immer konstant geblieben. Die Vernehmungen durch eine sehr erfahrene Kriminalbeamtin, die Video-Vernehmung vor Gericht und schließlich die Angaben der Sachverständigen hätten ein schlüssiges und nachvollziehbares Bild über die Glaubwürdigkeit des Opfers ergeben. Von daher war die Kammer überzeugt, dass die zehn Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft durch das Verfahren bestätigt wurden. Da sich Täter und Opfer in diesen drei Jahren fast täglich trafen, ging das Gericht von einer hohen Dunkelziffer bei den Übergriffen aus. Staatsanwalt Christian Heinekamp sprach sogar von einer dreistelligen Zahl der Übergriffe. Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass er bei seinen Taten keine körperliche Gewalt angewandt habe. Hinzu komme, dass das Mädchen auf der Suche nach einem Ersatzvater freiwillig zu dem Angeklagten gegangen sei. Der Stiefvater hat sich nach Auffassung des Gerichts nur mit Latexbekleidung und Computern befasst. Sichtbar regungslos nahm der Angeklagte das Urteil der Kammer auf. Er will sich noch mit seinem Anwalt beraten, ob er gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt. Ins Gefängnis muss er nicht sofort: Den Antrag der Staatsanwaltschaft, einen Haftbefehl zu erlassen, wies das Gericht aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten zurück. Es ist zwar Rechtspraxis, dass bei einer mehr als fünfjährigen Haftstrafe ein Haftbefehl in Vollzug gesetzt wird. Da der Mann aber Hartz IV bezieht und keine Beziehungen ins Ausland hat, sah die Kammer nicht den Haftgrund der Fluchtgefahr. Außerdem habe er keine Ersparnisse, und er habe sich während der Ermittlungen und der Termine am Landgericht jederzeit dem Verfahren gestellt. Deshalb deutet nach Ansicht des Gerichts nichts darauf hin, dass er sich der Gefängnisstrafe durch eine Flucht ins Ausland entziehen will. (nzg)

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