Schweix/Hilst/Liederschiedt Deutsch-französische Freundschaft: Blick hinter die Kulissen der Kita Liederschiedt

„Le petit Chaperon rouge“: Die Rotkäppchen-Geschichte ist in jeder Sprache spannend und beschert Erzieher Martial Hoffmann aufme
»Le petit Chaperon rouge«: Die Rotkäppchen-Geschichte ist in jeder Sprache spannend und beschert Erzieher Martial Hoffmann aufmerksame Zuhörer – französische wie deutsche.

Der Kindergarten in Liederschiedt wird von deutschen und französischen Kindern besucht. Das Projekt ist in beiden Ländern einzigartig. Bei einem Blick hinter die Kulissen erfuhr die RHEINPFALZ Neues von deutscher Finanzierungsnot, französischen Läusen und dass dem Maulwurf auch in Frankreich auf den Kopf gemacht wird.

Wie klappt es mit der deutsch-französischen Zusammenarbeit?
Gut, äußern sämtliche Beteiligte. Die Kita scheint auf beiden Seiten der Grenze ein Herzensprojekt zu sein. Im Alltag haben die Akteure gelegentlich mit unterschiedlichen Regularien zu kämpfen. Etwa wenn das deutsche Landesamt die Abnahme des Brandschutzes von französischer Seite nicht akzeptieren will. Zudem dürfen die französischen Kinder bisher nicht in der Kita zu Mittag essen. Grund ist unter anderem, dass dort frisch gekocht wird – laut französischen Regularien das Essen in solchen Einrichtungen aber aus Großküchen stammen muss, wie Kita-Leiterin Eva Maria Urban erklärt. Also werden die französischen Kinder jeden Tag für teures Geld mit einem Bus in eine nahe Schule gefahren, wo sie in der Kantine essen, bevor es zurück nach Liederschiedt geht. Das soll sich künftig ändern.

Was kann man da machen?
Die SPD-Bundesabgeordnete Angelika Glöckner hat bei ihrem Besuch zum deutsch-französischen Freundschaftstag (22. Januar) auf die Experimentierklausel im Parlamentsabkommen hingewiesen. Die soll helfen, administrative Hürden abzubauen, um Zusammenarbeit über die deutsch-französische Grenze hinweg leichter zu machen. Nun soll geprüft werden, ob die Kita Liederschiedt aufgrund dieser Klausel von gesetzlichen Normen abweichen darf. Auf französischer Seite will Valérie Rabault das Gleiche versuchen: Die Vizepräsidentin der französischen Nationalversammlung war am Montag aus Paris angereist, um das gemeinsame Projekt kennenzulernen und zu schauen, an welchen Stellen politische Unterstützung gebraucht wird.

Unterscheidet sich die Vorgehensweise bei Krankheiten in der Kita?
Manchmal. Die Corona-Krise war schwierig, weil die beiden Länder oft unterschiedliche Vorgaben bei Infektionen machten. Ein aktuelles Beispiel gibt es auch: In der Kita gab es um den Jahreswechsel herum Kopfläuse, berichtet Urban. Deutsche Kinder müssen dann zu Hause bleiben, der Befall wird dem Gesundheitsamt gemeldet. Für Franzosen gibt es diese Auflagen aber nicht: Die Kinder dürfen weiter den Kindergarten besuchen. Die Erzieherinnen trennten daraufhin die beiden Gruppen für eine Weile. An der Garderobe packten sie alle Kleider in große, orangefarbene Plastiksäcke, um eine Ausbreitung über Jacken oder Schuhe zu vermeiden. „Der Januar war schwierig“, sagt Urban und lacht.

Wie viele Kinder gibt es?
Die deutsche Seite hat die Erlaubnis, 22 Kinder aufzunehmen. Derzeit sind es 19, sagt die Leiterin. In der französischen Gruppe sind im Moment 13 Kinder, ab dem Sommer sollen es zwei mehr sein.

Wie sind die Gruppen unterteilt?
Es gibt eine französische und eine deutsche Gruppe. Allerdings mehr dem Namen nach. Nach dem gemeinsamen Morgenkreis gehen die kleinen Kinder – Franzosen wie Deutsche bis zu drei Jahren – in den Raum der deutschen Gruppe, die älteren bis zu den Vorschulkindern spielen im französischen Raum.

Wann lernen die Kinder die Sprache der Nachbarn?
Eigentlich die ganze Zeit. In beiden Gruppen gibt es deutsche wie französische Erzieher, von denen jeder meist die eigene Muttersprache spricht. Zudem gibt es tägliche Spracheinheiten – die bei den Älteren etwas länger sind als bei den Krippenkindern –, in denen kleine Sätze zur persönlichen Lage geübt werden: Name, Alter und Wohnort, aber auch, ob sich das Kind an diesem Tag fröhlich, müde oder traurig fühlt. Dazu kommen Themenblöcke, die zum Beispiel saisonbedingte Vokabeln vermitteln: Worte rund um Ostern, Fasching oder den Herbst. In der einen Woche wird Deutsch gelernt, in der nächsten sind französische Vokabeln dran. „Wir haben da viel experimentiert“, erzählt Leiterin Urban. Ein tageweiser Wechsel der Sprache sei den Kindern schwerer gefallen. Bücher gibt es in beiden Sprachen. Auch der deutsche Kinderbuch-Klassiker „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ steht in französischer Version im Regal.

Wie gut verstehen die Kinder die Nachbarsprache?
Wenn die Kinder schon mit einem Jahr im Kindergarten Liederschiedt waren und von Anfang an Französisch und Deutsch hörten, verstehen sie mit drei oder vier Jahren beide Sprachen sicher, sagt Urban. Wenn irgendwas gar nicht klar ist, wechseln die französischen Erzieher auch mal ins Deutsche, aber in der Regel sei das nicht nötig.

Was ist die größte Herausforderung für die deutsch-französische Kita?
Das Geld. Die Finanzierung ruht unter anderem auf den fünf kleinen Orten, die Träger sind: Schweix, Hilst, Liederschiedt, Haspelschiedt und Roppeviller. Die Dörfer haben teilweise nur 120 Einwohner. Für sie ist der Kindergarten „ein schönes Projekt und eine große finanzielle Belastung“, sagt Etienne Megel, Bürgermeister von Liederschiedt. 2021 hatten Schweix und Hilst öffentlich gemacht, dass sie mit ihrem Anteil an den Personalkosten überfordert sind – es ging um rund 20.000 Euro. Danach wurde anderthalb Jahre lang gestritten, bis das Land Rheinland-Pfalz zwei Dinge tat: Für 2023 übernahm es den Anteil der deutschen Dörfer an dem Projekt, und Karen Schönenberg aus dem Bildungsministerium lotste die Träger durch die komplizierte Antragstellung für Mittel aus dem EU-Topf Interreg VI. Die sollen die Finanzierung ab 2024 erst mal sichern. „Der Antrag hatte 90 Seiten in beiden Sprachen. Das hätten wir als kleine Verwaltung nicht stemmen können“, stellt Klaus Weber, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Pirmasens-Land, fest. Schönenberg fuhr während dieser Zeit immer wieder nach Liederschiedt, um sich mit den Verantwortlichen abzusprechen. „Das ist inzwischen auch meine Kita“, sagt sie und lacht. Es sei ihr ein Anliegen, das Projekt zu unterstützen.

Ist das Geldproblem jetzt vom Tisch?
Nein. Die EU-Mittel sollen den Kindergarten drei Jahre lang sichern. Bis dahin muss der Plan für eine dauerhafte Finanzierung stehen. Weber ist aber zuversichtlicher als in der Vergangenheit: „Ich glaube, dass das Land jetzt weiß, dass das hier eine einmalige Einrichtung ist“.

Beim Morgenkreis tanzen und singen alle gemeinsam. Jede Strophe wird einmal auf Französische und einmal auf Deutsch gesungen – a
Beim Morgenkreis tanzen und singen alle gemeinsam. Jede Strophe wird einmal auf Französische und einmal auf Deutsch gesungen – auf diesem Bild geht es um »Pauvre lapinou« – »Häslein in der Grube«.
Gleich hinter dem Ortsschild von Liederschiedt steht der Kindergarten.
Gleich hinter dem Ortsschild von Liederschiedt steht der Kindergarten.
Eva-Maria Urban (rechts) leitet die Kita und die deutsche Gruppe. Ihr Pendant auf französischer Seite ist Lehrerin Marie Kleinhe
Eva-Maria Urban (rechts) leitet die Kita und die deutsche Gruppe. Ihr Pendant auf französischer Seite ist Lehrerin Marie Kleinhentz (links).
In der Küche im unteren Stockwerk wird jeden Tag für die Kinder gekocht.
In der Küche im unteren Stockwerk wird jeden Tag für die Kinder gekocht.
Im Morgenkreis tanzen ältere und kleinere Kinder gemeinsam.
Im Morgenkreis tanzen ältere und kleinere Kinder gemeinsam.
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