Wilgartswiesen B10: Als die Bürger die „Befreiung“ kaum erwarten konnten

Der Bau der ersten Ortsumgehung an der B10 in Wilgartswiesen war nicht nur ein mächtiger Eingriff in die Natur im Süden des Dorf
Der Bau der ersten Ortsumgehung an der B10 in Wilgartswiesen war nicht nur ein mächtiger Eingriff in die Natur im Süden des Dorfes, sondern auch eine Meisterleistung des Straßenbaus Anfang der 80er Jahre.

Auf 50 Jahre kann die Verbandsgemeinde Hauenstein nun zurückblicken. In diese Zeit fällt auch eine epochale Baumaßnahme an der B10, die bis heute prägend ist: die Umgehungsstraße entlang des Rauhbergs hoch über dem Ort und eine historische „Befreiung“ von Wilgartswiesen.

Altbürgermeister Klaus Weber (87), der als SPD-Bürgermeister in den 70er und 90er Jahren insgesamt zehn Jahre der Gemeinde vorgestanden hatte, erinnert sich im RHEINPFALZ-Gespräch an diese „Erlösung“, wie er wörtlich sagte. Und er fügte spontan hinzu: „Endlich hörten wir Wilgartswiesener wieder die Hähne krähen, unser Dorf erwachte zu neuem Leben.“

Was heute nicht mehr denkbar ist, geschah in Wilgartswiesen – eine der engsten B10-Talgemeinden im Queichtal – fast ohne Aufsehen: „Es war ein Jahrhundertereignis, aber keine pompöse Einweihungsfeier mit Musik und Freibier durch Prominente aus Bonn oder Mainz“, sagte der Altbürgermeister, der sich noch an viele Einzelheiten kurz vor der Eröffnung ganz genau erinnerte. „Die beteiligten Bauleiter gingen mit uns Gemeinderäten und einigen Bürgern die Strecke zu Fuß ab. Wir konnten kaum erwarten, als dann erstmals seit urdenklichen Zeiten unser Dorf durchfahrtsfrei wurde, ein Glücksgefühl, das wir heute noch ganz lebendig in der Erinnerung haben.“

Umgehung positiv für Fremdenverkehr

Nur fünf Zeilen finden wir in der 665-Seiten starken Ortschronik des verstorbenen Ehrenbürgers Karl Heinz Albrecht von 1996 über das epochale Ereignis, das Wilgartswiesen vom Durchfahrtsverkehr befreite: „Durch den Ausbau der Bundesstraße 10 als Schnellstraße zwischen dem Saarland und dem Rhein erhielt Wilgartswiesen endlich eine Ortsumgehung, was sich auf den Fremdenverkehr sehr positiv auswirkte“, heißt es da. Und Altbürgermeister Weber weiß auch heute noch die Antwort, warum es in Wilgartswiesen damals „so schnell ging“: „Unsere verantwortlichen Gemeinderäte und Bürger arbeiteten seit dem ersten Tag der Planung mit ganzem Herzen mit allen beteiligten Behörden Hand in Hand mit, es gab keinerlei schwierige Einsprüche, obwohl die neue B 10 einen Einschnitt in den gesamten Süden des Dorfes darstellte, heute nicht mehr im Ansatz denkbar.“ Und der Altbürgermeister verweist auf die nunmehr fast zehnjährige Bauphase an den vier Kilometern von Godramstein bis Landau Nord.

Entlastung von einer Verkehrsflut

Insgesamt dauerte es hier „nur“ drei Jahre für die geplagten Menschen in der sehr engen Ortslage – hier bildet Wohnbebauung, die Bundesstraße B10, der Queichbach und die Bahntrasse seit 100 Jahren ein sehr enges Nadelöhr –, bis der immer stärker werdende Durchgangsverkehr endlich auf die neue B-10-Trasse in den steilen Hang südlich des Dorfes verlegt werden konnte. Gelungene Einschnitte in das Rauhberg-Massiv und für die damalige Zeit filigrane und äußerst teure Brückenbauwerke waren notwendig, um Wilgartswiesen als erste Gemeinde in dieser Region von einer kaum noch zu ertragenden Verkehrsflut zu entlasten.

Und erstaunlich ist angesichts der heutigen Diskussion um den vierspurigen Ausbau der B10, dass die gewaltige Ortsumgehung Wilgartswiesen in einer Zeit geplant und gebaut worden war, als alle Welt noch davon ausging, dass es gar keine massiven Ausbaupläne der B10 geben würde, weil die projektierte A8 südlich von Pirmasens bis an die Rheinschiene verlängert werden sollte. Wäre es so gekommen, wären heute die Verhältnisse im immer schon engen Queichtal ganz anders.

Großes Interesse der Bevölkerung

Es kam aber alles anders, und fern dieser Frage um den später verhinderten A-8-Autobahnbau durch den südwestpfälzischen und südpfälzischen Raum war die Vorfreude auf die Fertigstellung der Ortsumgehung Wilgartswiesen mit den Händen zu greifen. Tagtäglich kamen in der zu Ende gehenden Bauphase viele Menschen, Kinder und vor allem Rentner aus Wilgartswiesen und Hauenstein, die den Bau der drei Kilometer langen Strecke beobachteten und den „Tag der Befreiung“ herbeisehnten. Und auch heute schwärmen die Alten noch davon, dass man „jetzt wieder über die Straße gehen konnte“.

Wie gesagt, damals gab es keinen Streit und keine Diskussionen um die neue Strecke. Und selbst dann, als die große neugebaute Brücke am östlichen Ortsausgang von Wilgartswiesen gegen Rinnthal hin wegen falscher Betonmischung nochmals abgerissen „und mit Millionenmitteln wieder neu aufgebaut werden musste“, (Altbürgermeister Weber), gab es keine langdauernden Proteste, so sehr war man sich quer durch alle Bevölkerungsschichten einig, dass man die Menschen in Wilgartswiesen von der stetig anwachsenden Verkehrsflut der B10 „befreien“ musste.

Noch ein Thema: Lärmschutz für den Ort

Allerdings, und das war in Wilgartswiesen am Jubiläumstag der Verbandsgemeinde auch zu hören, geht heutzutage eine andere Bitte an die Verantwortlichen in Berlin und Mainz: In Wilgartswiesen leiden die Bürger nicht mehr an den langen Lkw-Schlangen, die durchs Dorf fahren, sondern am Verkehrslärm, der unablässig von der langen Umgehungsschleife in die Wohngebiete dröhnt. Und die Antwort der Entscheider ist immer die gleiche: Erst wenn der geplante vierspurige Ausbau der meist dreistreifigen Umgehung erfolgen kann, kommen auch die so wichtigen Lärmschutzmaßnahmen für die Wilgartswiesener. „Ob ich das noch erlebe?“, fragt sich nicht nur Altbürgermeister Klaus Weber eher skeptisch.

Über 40 Jahre später tut sich brandaktuell im Jahr 2023 noch eine verkehrspolitische Debatte auf. So gibt es nämlich im Zuge des vierspurigen B-10-Ausbaus einen weiteren Lkw-Parkplatz und auf den brachliegenden Feldern zur Falkenburgruine soll eine Raststätte geplant werden. Viel Zündstoff im Pfälzerwald, mehr als 40 Jahre n nach der ersten Ortsumgehung an der B10 an der Nahtstelle zwischen Südwest- und Südpfalz.

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