Kusel Tornado deckt Dächer ab

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Ein Tornado im Südkreis, ein heftiges Unwetter im Rest des Kreises, zum Teil mit Taubenei-großen Hagelkörnern und kübelweise Regen – der Sonntagabend wird vielen Bewohnern, aber auch den Hilfsdiensten im Landkreis Kusel noch lange im Gedächtnis bleiben. Glücklicherweise gab es nur einen Leichtverletzten, dafür aber enorme Sachschäden. Deren Höhe lässt sich noch nicht beziffern.

Gegen 20 Uhr begann das, was viele mit den Worten umschrieben: „Ich dachte, die Welt geht unter.“ Eine erste Gewitterzelle habe sich über Glan-Münchweiler gebildet, schildert der Odenbacher Wetterforscher Tobias Knecht, der zuvor schon auf seiner Internetseite und im sozialen Netzwerk Facebook vor schweren Unwettern gewarnt hatte. „Das schlimmere Gewitter allerdings kam mit einer Kaltfront aus Frankreich“, erklärt Knecht, der an seiner Station eine Böe mit 74 Kilometern pro Stunde gemessen hatte. Mit sich trug diese Gewitterfront auch heftige Hagelschauer, die über dem Landkreis niedergingen. Besonders heftig erwischte es den Südkreis und dort Schönenberg-Kübelberg. Dort zog ein Tornado durch die Region, der erst kurz vor Ramstein nicht weiter beobachtet werden konnte. Dutzende Bewohner machten Fotos oder gar Videos von der Windhose, die deutlich erkennbar bis auf den Boden reichte. Ganz festlegen darauf, dass man von einem Tornado sprechen könne, wollte sich Simon Trippler vom Deutschen Wetterdienst (DWD) gestern aber noch nicht. „Das ist durchaus möglich“, sagte er auf Anfrage. An der vom Landkreis Kusel nächstgelegenen DWD-Messstation in Saarbrücken sei eine Windgeschwindigkeit von „nur“ 94 Kilometern pro Stunde gemessen worden: „Lokal kann die Geschwindigkeit durchaus höher gewesen sein“, weiß der Meteorologe. Die Beurteilung, ob es sich um einen Tornado gehandelt hat, werde erst nach genauerer Untersuchung erfolgen: „Da müssen noch Fotos und Radarbilder angeschaut sowie der angerichtete Schaden mit einbezogen werden.“ In jedem Fall habe es sich um ein Gewitter gehandelt, bei dem „schon ordentlich Pep dahinter war“. Sein Kollege und Tornadobeauftragter Andreas Friedrich geht laut Sebastian Becker, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Altenkirchen, noch etwas weiter: Anhand der Bilder und Videos habe es sich wohl um einen echten Tornado gehandelt. Dieser bittet auch um weitere Fotos und Videos unter der Mailadresse andreas.friedrich@dwd.de. Stefan Reichhart, Wehrführer der Feuerwehr in Waldmohr, hatte sich auf einen ruhigen Fernsehabend vorbereitet, als um 20.06 Uhr der Pieper ging. „Es fing für uns recht harmlos an, obwohl es stark regnete.“ Zunächst habe man nur einen Baum von der Straße entfernen müssen. Dann allerdings wurde die Wehr samt Drehleiterwagen in den Nachbarort nach Schönenberg-Kübelberg gerufen. In der Feuerbachstraße drohte ein Baum auf das Dach eines Wohnhauses zu stürzen. „Der Einsatz dauerte bis fast 2 Uhr in der Nacht“, sagte Reichhart gestern der RHEINPFALZ. Im Bereich Waldmohr waren einige Ortsteile zeitweise ohne Strom, teilte ein Pressesprecher der Pfalzwerke mit. Reichharts Feuerwehrkollege aus Schönenberg-Kübelberg, Jens Danner, war unterdessen zu einem anderen Haus gerufen worden. In der Miesauer Straße hatte eine Winböe ein Dach halbseitig abgedeckt. Einzig die Giebelwand zur Straße stand noch. „Teile des Giebels wurden in der Nacht unter Rücksprache mit der Bauabteilung zurückgebaut, das Dach mit einer Folie provisorisch geschlossen“, schildert Danner den Einsatz, der bis gestern Morgen, 8 Uhr, andauerte. Die Miesauer Straße war halbseitig gesperrt. Insgesamt hatte die Feuerwehr Schönenberg-Kübelberg rund 30 Einsätze in der Nacht zu bewältigen, bei der 45 Personen im Einsatz waren. „Das Spektrum reichte von abgedeckten Dächern über umgestürzte Bäume bis hin zu herumfliegenden Ziegeln. Zum Glück gab es nicht viele Verletzte“, sagte Danner. Ein Mann musste vom Rettungsdienst behandelt werden, nachdem ein Ziegel die Balkonscheibe durchschlagen und ihn die Scherben am Gesicht und Arm verletzt hatten. Die Höhe des Schadens könne man nach jetzigem Stand noch nicht beziffern, teilte Verbandsbürgermeister Karl-Heinz Schoon auf Nachfrage mit. „Die Versicherungen wurden heute Morgen verständigt, aber es sind auch sehr viele Fahrzeuge beschädigt worden“ „Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen“, sagt Kai Schmeißer, Wehrführer der Feuerwehr Glan-Münchweiler. Zu zehn Einsätzen mussten die 35 Wehrleute ausrücken. In Wahnwegen deckte der Sturm an drei Häusern Teile der Dächer ab „Die Feuerwehr Kusel hat uns mit der Drehleiter unterstützt“, sagt Schmeiser. In Nanzdietschweiler, Börsborn, Herschweiler-Pettersheim und Glan-Münchweiler fielen zudem Bäume auf die Straße. Auch in der Verbandsgemeinde Altenglan ist man im Vergleich zu den Südkreis-Gemeinden glimpflich davon gekommen: „Bisher sind uns nur zwei umgestürzte Bäume im Bereich der Draisinen-Strecke bekannt“, informiert Thomas Löber, Büroleiter der Verbandsgemeindeverwaltung Altenglan. Mit umgestürzten Bäumen hatten auch die Feuerwehren der Verbandsgemeinde Lauterecken zu kämpfen. „Die erste Meldung kam um 20.30 Uhr, dann haben sich die Einsätze überschlagen“, schildert Hans-Peter Stude, Wehrleiter in Lauterecken. So mussten die rund 70 Einsatzkräfte nach Ginsweiler, Cronenberg sowie Sulzhof, um die Straßen wieder frei zu machen. In Offenbach-Hundheim musste ebenfalls ein Dach provisorisch geflickt werden, nachdem zirka 40 Dachziegeln durch den Sturm weggeflogen waren. Wie der Stromversorger OIE auf Anfrage mitteilte, stürzte in Offenbach-Hundheim zudem ein Baum auf eine Stromleitung, so dass die Orte Meisenheim, Medard, Grumbach, Hausweiler, Wiesweiler, Offenbach-Hundheim und Nerzweiler für einige Stunden ohne Strom waren. Auch Telefon und Internetzugang fielen vielfach aus. Wie die Polizei Lauterecken mitteilte, wurde durch die herunterfallende Scheibe einer Dachluke die Windschutzscheibe eines geparkten Autos beschädigt. Im Nordkreis war auch die Bahn vom Unwetter betroffen. Die letzte Regionalbahn aus Kaiserslautern musste am Sonntagabend zwei außerplanmäßige Stopps einlegen: Zunächst wurde die Weiterfahrt in Kreimbach-Kaulbach und dann in Lauterecken in Höhe des Kindergartens durch umgestürzte Bäume verhindert. „Das war unser letzter Einsatz“, sagte Lautereckens Wehrleiter Stude.

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