Kreis Kaiserslautern Lange Leitung

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In einem Roman von Daniel Defoe strandet die Hauptfigur Robinson Crusoe auf einer abgelegenen Insel. Kein Kontakt zur Außenwelt. Über 28 Jahre lang. Nur mit Freitag, dem „Wilden“, dem er Englisch beibringt, kann er sich unterhalten. Für diejenigen, die beispielsweise ihre Clique per Smartphone fast in Echtzeit daran teilhaben lassen, wie sie eine Lasagne zubereiten, ist das vermutlich eine Horrorvision. Aber nicht nur für Kommunikationsabhängige in der digitalen Welt ist das Verbundensein ein Zeichen der Zivilisation. Auch das Telefon gehört noch immer dazu und ist in vielen Haushalten Teil der Innenausstattung. Bei Roland Heim aus Katzweiler ist das nicht anders. Doch seit einigen Wochen dient sein Apparat höchstens als Deko, erreichbar ist der Rentner derzeit nur übers Handy. Die kommunikative Quarantäne begann, als sich Heim auf Anraten der Telekom dazu entschloss, auf Internet-Telefonie umzusteigen. „Das war mein größter Fehler“, stöhnt er. Die Umstellung sollte am 8. Januar über die Bühne gehen, doch seitdem ist die Leitung tot. Am Tag darauf wollte er die Störung melden, hing stundenlang in irgendwelchen Warteschleifen und wurde letztlich vertröstet, wie er sagt. Einen Rückruf habe es nie gegeben. Das ging ihm derartig auf die Nerven, dass er Mitte Januar einen Beschwerdebrief an die Bonner Zentrale schrieb. Am 30. Januar kam dann ein Anruf: Ihm wurde versprochen, dass im Laufe der Woche etwas passiert. Er wartet heute noch. „Mich haben schon Leute angesprochen, weil wir nicht erreichbar sind.“ Auch der Kontakt zu seinen Kindern sei schwierig. Seine Tochter wohnt in Cochem, sein Sohn in Katzweiler. „Wenn ich mit ihm reden will, lauf’ ich halt rüber“, sagt Heim. Er ist sauer, dass eine Technik, die ihm empfohlen wurde, nicht funktioniert. Roland Heim ist kein Einzelfall. Schon in der vergangenen Woche berichteten wir über die Probleme von Udo Merkel aus Steinwenden, der wegen der Umstellung seines Festnetzanschlusses nicht zu erreichen ist. Seit 9. Dezember bimmelt bei ihm höchstens noch der Wecker. Auch das Internet hatte zeitweise den Geist aufgegeben. Mehrfach hatte er sich an die Telekom gewandt, die auch ihm zum Wechsel geraten hatte. Ergebnis: ein großes Ärgernis. Es habe „nur leere Versprechungen gegeben“, sagt Merkel. „Eine Schweinerei“, schimpft der Steinwendener, weil er von Telekom-Beratern immer wieder abgebügelt worden sei. Telefonieren kann der 67-Jährige nur noch mit dem Handy. Der Bonner Telefonkonzern wirbt zwar mit dem Slogan „Erleben, was verbindet“, doch die Verbindung mit Udo Merkel ist offenbar weiterhin gestört. Sein Telefon funktioniert immer noch nicht, wie er auf Anfrage sagt. Auch die Teilrückzahlung der Gebühren, die ihm aufgrund der Unannehmlichkeiten versprochen worden sei, lasse auf sich warten. „Wegen des RHEINPFALZ-Artikels hat mich sogar eine Familie aus Oberarnbach besucht, die seit Oktober darauf wartet, dass ihr Telefon wieder funktioniert.“ Offenbar hat Merkels Geschichte eine kleine Empörungswelle ausgelöst. Auch Udo Kosel meldete sich bei der RHEINPFALZ. Bei ihm begann die Abgeschiedenheit ebenfalls mit einem Angebot der Telekom, wie er sagt. Als er seiner Frau im November ein Smartphone einrichtete, habe das Bonner Unternehmen vorgeschlagen, dass er zehn Euro pro Monat spare, wenn er auf Internet-Telefonie umrüste. Das tat er. Für den Otterberger begann damit das große Warten. Am 30. Dezember sollte sein Anschluss umgestellt werden, seitdem schwieg sein Telefon. Er habe sich mehrfach bei der Telekom gemeldet, sei bei der Beschwerdestelle in Hannover gelandet. „Aber was wollen die schon machen“, sagt er. „Ein pensionierter Telekom-Mitarbeiter aus der Nachbarschaft meinte, dass es manchmal ein halbes Jahr dauern kann, bis etwas passiert.“ Er irrte. Zum Glück. Nach über einem Monat ist Kosel seit Mittwoch wieder für die Außenwelt über Festnetz erreichbar. Dennoch ist er sauer. Besonders für seine Frau sei die Zeit unangenehm gewesen, denn ihre 89-jährige demente Mutter sei vor kurzem in ein Bremer Altersheim gekommen. „Da muss man alle zwei Tage anrufen, um zu fragen, ob alles klar ist. Das ging mit dem Handy nicht immer, weil der Empfang schlecht war. Da haben wir uns ohne Festnetz schon ein bisschen amputiert gefühlt“, sagt Kosel. Er habe ja Verständnis dafür, wenn etwas mal nicht funktioniere, aber „dann sollte die Telekom etwas kommunikativer sein“, fordert der 74-Jährige. In der Telekom-Pressestelle in Bonn weist man darauf hin, dass es generell wenig Probleme bei der Umstellung auf Internet-Telefonie gebe. „Zu 99,8 Prozent läuft es problemlos. In den anderen Fällen müssen wir natürlich nacharbeiten“, sagt André Hofmann im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Natürlich könne es sein, dass es mal technische Schwierigkeiten gebe, aber „es darf nicht vier Wochen dauern, bis die Kunden Hilfe bekommen. Da müssen wir hinterher sein. Schließlich wollen wir das beste Netz zur Verfügung stellen“, erklärt Hofmann. Wenn das so ist, wie André Hoffmann sagt, müsste das Robinson-Crusoe-Dasein von Udo Merkel und Roland Heim bald ein Ende haben.

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