Kreis Kaiserslautern Die Suche in einer dunklen Vergangenheit

Er recherchierte beim Bundesnachrichtendienst (BND), flog nach New York, knüpfte Kontakte zum CIA und wurde sogar bedroht: Die vergangenen Jahre im Leben des Peter Hammerschmidt waren äußert turbulent. Für den 27-jährigen Miesenbacher haben sie sich aber gelohnt. Hammerschmidt hat nicht nur seinen Doktortitel in der Tasche, heute kommt auch noch sein erstes Buch auf den Markt. Es ist eine Geschichte über Klaus Barbie, einstiger Gestapo-Chef in Lyon und einer der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher.

Peter Hammerschmidt öffnet das kleine Tütchen, schüttet den Zucker in den Cappuccino, nimmt den Löffel in die Hand, rührt, trinkt einen Schluck, stellt die Tasse wieder auf den Tisch und schüttelt den Kopf. Nicht, weil ihm das Heißgetränk nicht schmeckt. Er redet über einen Mann, der Schlimmes begangen hat. „Eigentlich ist es unvorstellbar, dass solch ein Mensch, der Abitur machte, ein loyaler, prinzipientreuer, fürsorglicher Familienvater war, solche Dinge getan hat“, sagt der 27-Jährige. Hammerschmidt spricht von Klaus Barbie, einem Kriegsverbrecher. 1942 wurde er Gestapo-Chef in Lyon. Zu den bekanntesten Gräueltaten zählen die Folterung des französischen Widerstandshelden Jean Moulin und die Deportation 44 jüdischer Kinder von Izieu nach Auschwitz. Wenn er von Barbie redet, insbesondere über dessen Zeit nach 1945, dann ist der Miesenbacher in seinem Element. Es scheint fast nichts zu geben, was Hammerschmidt nicht über dessen Leben weiß. Zu intensiv hat er sich damit in den vergangenen Jahren beschäftigt. Dabei hatte er das ursprünglich gar nicht vor. An der Uni Mainz studierte er Geschichte und Deutsch fürs Lehramt an Gymnasien. Für eine Hausarbeit recherchierte er über NS-Kriegsverbrecher, die nach Südamerika auswanderten. Dabei stieß der junge Mann auch auf den Namen Klaus Barbie. Der „Schlächter von Lyon“ war einer der berüchtigten Nazi-Schergen und stammte aus Trier. Hammerschmidt begann sich mehr und mehr für dessen Biografie zu interessieren. Gar nicht so einfach, denn Literatur gibt es über diesen Mann kaum – und das Internet ist da auch keine große Hilfe. Also ging Hammerschmidt auf Aktensuche, befragte Zeitzeugen, knüpfte sogar Kontakte zur US-Regierung, flog für einen Tag mit dem Journalisten Peter F. Müller nach New York. Wie der Pfälzer herausfand, stand Klaus Barbie beispielsweise von 1947 bis 1951 auf der Gehaltsliste des US-amerikanischen Heeresgeheimdienstes CIC. Und obwohl er als NS-Kriegsverbrecher gesucht wurde und das CIC laut Hammerschmidt „nachweislich von den Verbrechen seines Agenten wusste, ermöglichte es ihm die Flucht unter dem Falschnamen Klaus Altmann nach Bolivien“. „Für Barbie war das wohl die einzige Möglichkeit, in ein geregeltes Leben zu kommen“, vermutet der 27-Jährige. Damit noch nicht genug. Bei seinen Nachforschungen stieß der Miesenbacher auch auf Verbindungen von Barbie zum Bundesnachrichtendienst. 2010 verweigerte der BND zunächst Hammerschmidts Antrag auf Akteneinsicht. An sich wenig überraschend. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch nie ein Wissenschaftler in Pullach recherchieren dürfen. Doch der Westpfälzer blieb hart, schrieb ans Kanzleramt als Aufsichtsbehörde des BND und bat darum, sich für ihn einzusetzen. Mit Erfolg. Kurze Zeit später öffnete sich das Tor in Pullach (wir berichteten damals in der RHEINPFALZ am SONNTAG). Hammerschmidt weiß auch warum: In seinem Schreiben an das Kanzleramt verwies er auf den Prozess der Journalistin Gabriele Weber vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Diese hatte – wenige Monate vor seiner ersten Anfrage – die Herausgabe von Teilen der Akte des SS-Obersturmführers Adolf Eichmann erreicht. Auch ihr hatte der BND die Akteneinsicht zunächst verweigert: „Vermutlich war der BND nun darum bemüht, jede weitere juristische Intervention zu vermeiden.“ Beim Blick in die Akten wurde deutlich: Klaus Altmann – oder besser Klaus Barbie – stand unter dem Decknamen „Adler“ von Mai bis Dezember 1966 auf der Gehaltsliste des BND und pflegte – zumindest indirekt über das bolivianische Innenministerium – auch Kontakte zur CIA. Barbie war zudem bis 1968 am bundesdeutschen Waffenhandel mit Lateinamerika beteiligt. Hammerschmidt fragt sich da in seinem Buch schon, „weshalb teils schwer belastete NS-Funktionsträger nach 1945 vonseiten westlicher Nachrichtendienste rekrutiert und nicht selten vor einer Strafverfolgung geschützt wurden“. Immerhin: Seit seinem ersten Besuch beim BND hat sich einiges verändert. „Der BND ist sich seiner Historie bewusst und auch gewillt, das aufzuarbeiten“, hat Hammerschmidt, der für die Linke im Ramstein-Miesenbacher Verbandsgemeinderat sitzt, beobachtet. Eine unabhängige Historikerkommission arbeitet die Geschichte des BND von 1946 bis 1968 auf. Das würde auch den Westpfälzer interessieren. Der Durst Hammerschmidts nach Recherchen in der Nachkriegsgeschichte ist noch lange nicht gestillt. Dabei wurde ihm das eigentlich gar nicht in die Wiege gelegt. „In der Familie habe ich keinen Historiker“, sagt Hammerschmidt, der derzeit ein Referendariat am Landstuhler Gymnasium absolviert. „Aber schon in der Schule habe ich mich für die NS-Zeit interessiert, über dieses Kapitel, in dem Deutschland und Deutsche fast kollektiv durchgedreht sind.“ Und er recherchierte, was mit den Tätern nach 1945 passierte. Letztlich wurde aus einer Examens- eine Doktorarbeit und nun auch ein 560 Seiten starkes Buch, das heute erscheint: „Ich bin gespannt, wie es angenommen wird.“ Immerhin ist das Werk eines der ersten Bücher in der Geheimdienstforschung. Und so mancher erfahrene Wissenschaftler hat seine Arbeit durchaus kritisch beäugt. Nicht auch zuletzt, weil seine Akteneinsicht beim BND für einige Aufregung sorgte. Dankbar ist er seinem Doktorvater Michael Müller für die Unterstützung. Und Hammerschmidt will weiter in der Vergangenheit stöbern. Zwischendurch möchte er die Freizeit nutzen, um bei seiner Hobbyfußballmannschaft in Miesenbach mal wieder gegen das runde Leder zu treten. Am 3. September geht es nach Berlin. Dort wird sein Buch vorgestellt.

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