Kreis Kaiserslautern Der Spurlaut der Hunde weist den Weg

STELZENBERG. Hirschgulasch, Rehnüsschen oder Wildschweinragout – der Herbst ist Wildsaison. Aber bevor das Fleisch in der Pfanne landet, muss so ein Tier erst einmal erlegt werden. Doch nicht nur für das kulinarische Vergnügen der Menschen wird geschossen. Bund und Land schreiben per Gesetz die Regulierung des Wildbestands vor und durch die Jagd setzen die Forstämter diesen Auftrag um.

Ein Novembermorgen, morgens um halb acht am Gelterswoog. Auf dem Parkplatz lauschen rund 50 Personen, überwiegend Männer, der Ansprache einer Frau. Sie tragen dicke Stiefel, dunkle Kleidung, Loden, Leder und grelles Neonorange. Aus einem kleinen Bauwagen steigt Rauch auf. Jagdleiterin Ulrike Abel vom Forstamt Kaiserslautern eröffnet die erste Drückjagd in diesem Jahr. Erklärt noch einmal, was alle wissen oder wissen sollten. Welche Tiere zum Abschuss freigegeben sind und welche nicht. „Es wird Schalenwild geschossen. Keine Füchse.“ Also Reh, Hirsch und Wildschwein. Ganz wichtig: die Sicherheitsbestimmungen. Beispielsweise Kugelfang, soll heißen: Geschossen wird nur auf gewachsenem Erdboden, nicht auf Bäume, Steine oder in die Luft, wo nicht sicher ist, wohin die Kugel trifft. „Da sind wir ganz strikt. Wer die Disziplin nicht einhält, für den ist der Jagdtag beendet“, kündigt die Jagdleiterin an. Fünf Bläser blasen ins Jagdhorn. Die Jäger ziehen los. „Hopp-hopp!“ Die großgewachsene Frau mit den dunklen Locken hat einen sportlich flotten Schritt drauf, als sie durchs Unterholz stöbert und über dichtes Astgewirr am Boden den Hang hinauf stiefelt. „Casper“, eine steirische Bracke, läuft weit vorne weg, kommt nur hin und wieder zurück zu Frauchen. Querfeldein marschieren die Treiber im Hungertal bei Stelzenberg. Insgesamt 25 Hunde sind dabei, alles ausgebildete Jagdhunde. „Haaallo!“ Von überall her tönen die Rufe der Treiber. Plötzlich lautes Gebell. „Das ist der Spurlaut“, weiß Ulrike Abel. Gleich darauf fallen Schüsse. Im Dickicht des Hanges sind die Spuren der Wildschweine dicht an dicht zu finden. Überall aufgewühlte Erde, Kot und Trampelpfade. „Eine Autobahn“, sagt die 44-jährige Jagdleiterin, die über den Stiefeln noch kniehohen Beinschutz, Gamaschen, trägt. Die Wiese am Eingang zum Hungertal haben die Wildschweine ebenfalls schon durchpflügt. Die Jäger sind nicht zu sehen. Sie stehen an ihrem Stand, der ihnen vom Linienführer zugewiesen wurde. Das Gebiet zwischen Breitenau, Aschbacherhof und Stelzenberg wird heute Vormittag bejagt. Für Wanderer stehen überall an den Wegen Warnschilder. Auf der B270 ist wegen erhöhter Gefahr von Wildwechseln eine Geschwindigkeitsverringerung auf Tempo 30 ausgeschildert. Die Jäger wissen, dass sie jederzeit mit Waldbesuchern, Treibern und Hunden rechnen müssen. „Das Wild wird bei der Drückjagd unaufgeregt in Unruhe gebracht“, erklärt die Jagdleiterin. Die Hunde – „unsere wichtigsten Mitarbeiter“ – geben bei der ersten Fährtenwitterung Laut. Das Wild soll sich von der Gefahr abwenden, aber nicht in Panik geraten. „In Gebieten, wo so gejagt wird, ist auch das Rotwild sehr vertraut und zugänglich“, weiß Abel. An einer Wegkreuzung treffen sich einige Treiber. Mittlerweile wärmt die Sonne. Man gönnt sich eine kleine Pause, tauscht sich aus, was gesichtet wurde. Die Gruppe hat sich schon voneinander verabschiedet, da plötzlich: ein Hirsch. Und was für einer! Rund 40 Meter entfernt trabt das ausgewachsene Bilderbuchexemplar zwischen den Bäumen davon. Auf dem Kopf ein ordentliches Geweih. Was für ein Anblick! Herzklopfen. Um 11 Uhr ist Besprechung am Forsthaus Horst in Stelzenberg. Nach und nach treffen die Jäger ein. Alle wollen etwas über den Hirsch wissen, woher und wohin. „Hat er was uff em Kopp gehadd?“, fragt allen voran Winfried Schleyer, der Revierförster. Ja, hat er. Später wird der Hirsch auf acht Jahre geschätzt. In seiner Laufrichtung war kein Schuss mehr zu hören – damit ist klar, das Tier ist weiter munter im Wald unterwegs. „Es wird deutlich mehr Wild im Wald gesichtet, als tatsächlich geschossen wird“, weiß Abel. Als Jagdleiterin verzeichnet sie im Protokollbogen akribisch, was jeder Jäger zu berichten hat. Wie viele Schüsse abgegeben, welche Tiere geschossen und welche gesichtet wurden. Ob ein Tier verwundet wurde. Wo die geschossenen Tiere liegen. Exemplare, die zu groß sind, um vom Jäger direkt mitgenommen zu werden, müssen bis an den nächsten Weg getragen werden. Vier geschossene Rehe sind das Ergebnis des Vormittags. Claus Bold, Sachbearbeiter für Jagd und Fischerei am Forstamt und Hauptorganisator an diesem Tag, holt die Tierkörper mit dem Fahrzeug und bringt sie aus Gründen der Lebensmittelhygiene direkt zum Forstamt Kaiserslautern. Dort werden sie fachgerecht aufgebrochen und kommen in die Kühlkammer. Michael Back freut sich, dass er mit seinem Hund „Bodo“ heute Vormittag nichts zu tun hat. Kein Tier ist angeschossen worden, das jetzt aufgespürt werden müsste. Das wäre die spezielle Aufgabe für den Hannoverschen Schweißhund gewesen. Später geht’s weiter südlich in den Finsterbrunner Wald zwischen Schopp und Trippstadt. Hier wird über den ganzen Nachmittag lediglich eine einzige Wildsau geschossen. „Hat der Jäger nichts geschossen, hat er frische Luft genossen“, frotzelt Dirk Schubert, technischer Produktionsleiter am Forstamt, der nicht ein einziges Tier auch nur gesehen hat. Der Jagdtag geht zu Ende. „Auch wenn wir mit einer größeren Strecke gerechnet haben, fand ich, es war ein schöner Tag“, verabschiedet Abel die Teilnehmer mit einem Dank an alle. Die Rehe und die Sau werden verblasen, die Jäger erhalten von Abel ihre Brüche. Und ja, es erklingt tatsächlich ein Halali von den Bläsern, bevor sich alle stärken können beim letzten Programmpunkt des Tages: dem Schüsseltreiben.

x