Kandel Haushaltspolitik: Städtische Angestellte an der Belastungsgrenze

Das Kulturzentrum ist sanierungsbedürftig. Aber die Stadt will es vorerst nicht verkaufen.
Das Kulturzentrum ist sanierungsbedürftig. Aber die Stadt will es vorerst nicht verkaufen.

Die Auswirkungen eines nicht genehmigten Haushalts sind im Alltag für die Mitarbeiter einer Kommune dramatisch. Nach einem Appell an den Stadtrat fällt dieser am Ende eine Entscheidung „wider jede haushaltspolitische Vernunft“.

Beim Bauhof wird um jeden Sack Sand und um jede Schraube gekämpft. Wenn Stellen frei werden, sei es wegen Schwangerschaft oder Kündigung, dürfen sie nicht einmal ausgeschrieben werden – das ist vor allem in den Kindertagesstätten ein Problem. Die verbliebenen Mitarbeiterinnen gelangen an die Belastungsgrenze, Gruppen müssen geschlossen werden. Bei der Stadtbücherei ist offen, ob sie überhaupt weiter betrieben werden kann. Mit diesen drastischen Worten hat der Personalratsvorsitzende Heiko Jäger im Kandeler Stadtrat beschrieben, was es für die Angestellten der Stadt Kandel konkret bedeutet, wenn ein Haushalt nicht genehmigt ist. In diesem Fall ging es um den Stellenplan 2023, der erst in der dritten Märzwoche 2024 grünes Licht von der Kreisverwaltung als Aufsichtsbehörde bekommen hat.

Tatsächlich konnte die dritte städtische Kita in der Schubertstraße nur eröffnet werden, weil dafür Stellen von den anderen Kitas in Anspruch genommen wurden, bestätigt der geschäftsführende Beamte Jens Forstner auf Nachfrage. Dafür wurden in den beiden anderen Kitas Löcher gerissen, da man ja mangels genehmigten Stellenplan keine offenen Stellen nachbesetzen konnte. Für die neue Kita habe auch kein Material bestellt werden können. Die pragmatische Lösung: „Wir haben uns bei anderen Kitas bedient.“

Applaus für Personalratsvorsitzenden

Die Zuschauerreihen in der Stadthalle waren am Dienstag fast voll besetzt. Im Publikum saßen sehr viele städtische Mitarbeiter, entsprechend lange war der Applaus nach der Rede ihres Personalratsvorsitzenden. Dieser hatte auch noch einen eindringlichen Appell an die Ratsmitglieder: Sie sollten alle Schritte unternehmen, um die rechtzeitige Genehmigung des Haushalts sicherzustellen.

Dazu muss jedoch erstmal ein Haushalt 2024 verabschiedet werden – und das war in der Ratssitzung Ende Januar gescheitert. Ein Grund dafür war, dass zu diesem Termin fast ein Drittel der Ratsmitglieder bei der Sitzung abwesend war. Gleichzeitig gab es heftige Kritik von SPD und den Grünen, letztere waren eigentlich Teil der regierenden Jamaika-Koalition.

Die Geister schieden sich vor allem an zwei Punkten: Dem Verscherbeln von Tafelsilber und dem Umgang mit Tafelgold. Also an der Frage, inwieweit die Stadt Kandel mit dem Verkauf gemeindeeigener Gebäude, dem Tafelsilber, ihren Haushalt aufbessern kann und soll. Dabei stand neben dem Bahnhof vor allem das Kulturzentrum im Fokus. Die ehemalige Landwirtschaftsschule beherbergt derzeit unter anderem den Hort und ist dringend sanierungsbedürftig. Das Gebäude sollte allerdings erst veräußert werden, wenn für den Schülerhort andere Räumlichkeiten gefunden wurden. Dies ist laut dem Ersten Beigeordneten Michael Gaudier (CDU), der wieder den erkrankten Bürgermeister Michael Niedermeier (CDU) vertrat, auch mit dem Hort und den betroffenen Eltern so besprochen.

Sorgenfalten beim Kämmerer

Da man den Bürgern nicht tiefer in die Tasche greifen wollte, bliebe kaum eine andere Wahl, als über den Verkauf der Gebäude nachzudenken, argumentierte Gaudier. Doch dabei handele es sich um das Pflücken von tief hängenden Früchten, sagte SPD-Fraktionsführer Markus Jäger-Hott. Da noch dazu die Abschlüsse der vergangenen fünf Jahre fehlten, sei es seiner Fraktion schlicht zu schnell gegangen. Das Gebäude könne man schließlich nur einmal verkaufen, deshalb sollte es man den Verkaufsvorschlag herausnehmen. Die Grünen zeigten sich begeistert von der Aussicht, dass das Kulturzentrum von der „Giftliste“ gestrichen werden sollte. Und schließlich der Durchbruch: „Wir werden dem Antrag zustimmen, damit wir heute Abend einen Haushalt beschließen können“, sagte Judith Vollmer für die CDU-Fraktion. Der Beigeordnete Gaudier merkte mit einem Seufzen an: „Ich bin nur ausführendes Organ des Rats ...“ Er verknüpfte die Streichung mit einer Forderung: „Wenn wir gegen jegliche haushaltspolitische Vernunft die Landwirtschaftsschule rausnehmen“, müsste es aber den Auftrag an ihn, Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD) und den Kämmerer Timo Pust geben, sofort Verhandlungen mit der Kreisverwaltung aufzunehmen.

Kämmerer Timo Pust, dessen Sorgenfalten im Verlauf der Sitzung sichtbar tiefer wurden, unternahm einen letzten Versuch: Jedem müsse klar sein, dass man sich nur in der vorläufigen Haushaltsführung befinde. Bei jeglicher Ausgabe müsse geklärt werden, ob diese eine vertragliche Verpflichtung darstelle oder der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben diene. Der Rechnungshof kontrolliere die Finanzen der Stadt. „Festlichkeiten, Märkte, freiwillige Leistungen wie Spielgeräte, das wird in der nächsten Zeit erstmal nicht möglich sein“, sagte Pust und schickte noch hinterher: „Der Haushalt ist sowieso schon rechtswidrig.“

Baugebiet soll nun doch umgesetzt werden

Doch der Rat war sich einig: Die Landwirtschaftsschule soll zunächst nicht zum Verkauf stehen, auch wenn sie dringend sanierungsbedürftig ist und der Stadt mehrere Millionen Euro einbringen könnte. Dafür sprachen sich 18 Ratsmitglieder aus, es gab eine Gegenstimme und vier Enthaltungen.

Anders sah es beim „Tafelgold“ aus, dem Baugebiet K7. Dieses war nach jahrelangen Planungen erst gestrichen worden, soll nun aber doch umgesetzt werden. Diese Planung soll 200.000 Euro kosten. Dafür müsste wieder ein Kredit aufgenommen werden, rügte Ludwig Pfanger (Freie Wähler). Was habe denn das Baugebiet K2 gebracht, schließlich habe man unter anderem deshalb zwei neue Kitas benötigt, kritisierte Ursula Schmitt-Wagner (Grüne). Deshalb brauche man gerade keine Planungskosten für ein weiteres Baugebiet. „K7 muss und wird kommen, aber nicht jetzt“, sagte Markus Schowalter (FDP). Gaudier hielt dagegen, dass man nun die Chance habe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Entsprechend fand der FDP-Antrag, die Planung für K7 aus dem Haushaltsplan zu streichen, mit 9 Ja-Stimmen und 14 Nein-Stimmen keine Mehrheit. Der Haushaltsplan 2024 ging schließlich mit 17 Stimmen dafür, drei Enthaltungen und drei Gegenstimmen durch.

x