Donnersbergkreis Lästig werden und Stacheln zeigen

Die „lästigen Frauen“ – hier Christel Jung (li.) und Gabi Demmerle – sorgten für ein bis auf den letzten Platz besetztes Blaues
Die »lästigen Frauen« – hier Christel Jung (li.) und Gabi Demmerle – sorgten für ein bis auf den letzten Platz besetztes Blaues Haus.

«GÖLLHEIM.» Zum Internationalen Frauentag boten „Die lästigen Frauen“ ein großartiges Musikkabarett im Theater Blaues Haus in Weierhof. Augenzwinkernd, lehrreich und äußerst vergnüglich unterhielten sie mehr als zwei Stunden lang die 150 Zuschauerinnen – und auch Zuschauer.

„Wir dachten, wir können uns über etwa 50 Besucher freuen, aber dass es so viele waren, ist ja unglaublich“, staunt die Gitarristin Maria Gahr. Die Kapazitäten des Hauses seien erschöpft gewesen, man habe Interessierte ohne Voranmeldung wegschicken müssen, erfährt sie von der Vorsitzenden des Theatervereins, Ruth Leyendecker. An den Autokennzeichen konnte man es erkennen: Die Zuschauer kamen nicht nur aus dem Donnersbergkreis. Die Gruppe hat wohl ihre Fangemeinde im Grünstädter Raum, aus dem die fünf „Lästigen Frauen“ kommen, außer Gahr sind es Gabi Demmerle, Elke Schmitt, Gabi Kunz und Christel Jung. Zu Beginn wenden sie zur Musik eines James-Bond-Films ihre Rücken den Zuschauern zu, steigen dann gemeinsam die Treppe zur Bühne hinauf und verkünden ihre „Lizenz zum Lästern“. 17 Evergreens und Popsongs singen sie mehrstimmig und sehr gut artikuliert an diesem Abend. Sie haben die Struktur der Texte beibehalten und in Nuancen die Inhalte für ihre Zwecke umgedichtet, so dass man unmittelbar das Original erkennt: „So schön, schön ist die Frau“ lautet der Refrain des ersten Liedes. Aber es ist keine Hymne an die Schönheit, sie besingen die Kehrseite der Medaille: Fett abgesaugt, Dellen zieren jetzt den Bauch, zum Sonderpreis gibt’s Brüste. Sie ernten bereits nach diesem ersten Song mit dem Applaus Jubelrufe, wohl auch eine Zustimmung des Publikums zum tröstlichen Abschluss: So wie wir sind, sind wir schön. Zum Refrain „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsre Kauflust nicht“ ziehen sie ihre Scheckkarten aus den Taschen. Den Kabarettistinnen gelingt es, zugleich heiter und nachdenklich zu wirken. Um aufzurütteln erheben sie nie den Zeigefinger, vielmehr greifen sie in ihren verbindenden Zwischentexten auf Anekdoten, Witze, Zitate von Gesetzestexten zurück oder lesen aus dem Handbuch für die gute Ehefrau aus dem Jahr 1955 vor. Passend zu diesen Inhalten tragen sie vor der Pause grellfarbige Etuikleider. Sie streuen Nachdenkliches ein, Gahr listet die „unzähligen Tätigkeiten“ einer Hausfrau auf – nach den bekannten Aufgaben wie Kinder, Kochen, Putzen auch: Finanzgenie, Friedenshüterin, Märchenerzählerin, Friseurin, Gärtnerin. Sie weist auf das Bürgerliche Gesetzbuch, das im 19. Jahrhundert in Kraft trat und dem Ehemann das Entscheidungsrecht über die Frau zugebilligt habe: Ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes konnte darin eine Frau nicht berufstätig werden. Diese Freiheit wurde Frauen in Westdeutschland erst 1977 zugestanden. Darauf hatte die Gleichstellungsbeauftragte des Donnersbergkreises, Ute Grüner, zu Beginn der Veranstaltung bereits hingewiesen. „Vor hundert Jahren erkämpften in England Frauen zum ersten Mal das Frauenwahlrecht. Wir wissen, wie schwer es war, dieses Recht zu erkämpfen, das sollte uns eine Ermahnung sein, unser Wahlrecht wahrzunehmen.“ Gleichberechtigung sei noch nicht erreicht, man denke an die ungleiche Quotenverteilung, schlechtere Bezahlung der Frauenarbeit, sexuelle Belästigung und Gewalt. „Da müssen Frauen lästiger werden und Stacheln zeigen, deshalb habe ich kleine Kakteen mitgebracht, die sich jede Frau am Ausgang mitnehmen kann.“ Wie viel Frauen schon erreicht haben, erkennen die Zuschauer, wenn sie Zitate aus dem 60 Jahre alten Handbuch für die gute Ehefrau hören: Sie solle erfrischt sein, gut aussehen und die Kinder schick machen, wenn ihr Mann abends nach Hause kommt, ihm die Kissen zurechtlegen und anbieten, ihm die Schuhe auszuziehen. Mit dem heutigen Bewusstsein mutet dies so befremdlich an wie die präsentierten Filmausschnitte aus dem „7. Sinn“, einer ARD-Serie, die im Grundtenor die Fahrtüchtigkeit von Frauen in Frage stellte. So greifen die Lästigen Frauen die Wirklichkeit und die Denkweisen aus jetziger und früherer Zeit auf und halten einen Spiegel vor. „Wir wollen zeigen, was war und was wir erreicht haben. Das Leben liefert die Komik, weil wir heute ein anderes Bewusstsein haben. Wir wollen dem Leben ein Mikrophon hinhalten“, erklärt Gahr. Mit dieser Erkenntnis können Zuschauer beiderlei Geschlechts über sich selbst und andere lachen: „Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung und langsam steigt das Aldifieber“. Wörtlich zitieren die Kabarettistinnen: „Schon der Gedanke, dass ich dich einmal verlieren könnt ... weil du für mich die Erfüllung bist.“ Sie meinen aber nicht den Geliebten, sondern ziehen ihr Smartphone aus der Tasche. So mancher Liedtext kündet von klugen Erkenntnissen. In „Reif ist reif“ erzählen sie, wie sie auf einer Kreuzfahrt die Männer durchschauen, die sie umschwirren. In einem Witz bringen sie es auf den Punkt: Männer sind wie Sparbüchsen, sie machen den meisten Lärm, wenn am wenigsten drin ist. Man spürt auf der Bühne die Entdecker- und Schaffensfreude, die die Lästigen Frauen bei der Kreation ihres Programms antreibt. „Das ist wie eine Geburt, es macht Spaß, sich in der Gruppe zu treffen und die Ideen sprudeln zu lassen“, sagt Gahr. Frisch und frech kommen ihre Texte und Lieder im zweiten Teil daher. Nach dem aufrüttelnden ersten Teil bieten sie nun frivole Inhalte, präsentiert im „Kleinen schwarzen Kostüm“ mit Federboa, Hütchen und farblich passenden Stöckelschuhen. Als Zugabe wünschen sie den Zuschauern mit Hildegard Knef Roten Rosen: „Heute sagen wir laut, will frei sein, will leben, noch vieles bewegen ... Wir wünschen euch ein erfülltes Leben.“

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