Donnersbergkreis Kirchheimbolanden: Panne beim Hausnotruf

Bei der Technik und in der Kommunikation kam es offenbar zu Pannen.
Bei der Technik und in der Kommunikation kam es offenbar zu Pannen.

Hilfe auf Knopfdruck – mit diesem Versprechen wirbt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) für das Angebot Hausnotruf. Das von Tina Kremer in das System gesetzte Vertrauen hat einen Knacks bekommen. Die Rettungskette, die im Notfall per Knopfdruck in Gang gesetzt werden soll, hat bei ihrer Mutter eines Nachts nicht funktioniert.

Tina Kremer kümmert sich nahezu täglich um ihre Mutter. Die alte Damen lebt in einem Heim für betreutes Wohnen in Göllheim, nach zwei Schlaganfällen und einem Herzinfarkt ist die fast 80-Jährige im Alltag auf Hilfe angewiesen. „Meine Mutter ist dort bestens versorgt, zudem schaue ich täglich nach ihr und die Körperpflege übernehme auch ich“, erzählt Tina Kremer. So auch an jenem Montag. „Als ich meiner Mutter die Haare kämmte, sah ich den ersten blauen Flecken“, sagt die Tochter. „Was hast du denn gemacht?“, habe sie sich zunächst noch ohne große Beunruhigung erkundigt. Gar nichts, winkte die Mutter ab. Als sich dann beim Waschen weitere blaue Stellen an Armen und an der Hüfte zeigten, wurde die Tochter stutzig und bohrte nach. Doch die Mutter konnte sich an nichts erinnern, nur an einen schlimmen Traum, in dem sie am Boden gelegen und gefroren hätte. Um Klarheit zu bekommen, und um sich selbst zu beruhigen, habe sie „vorsichtshalber“ beim DRK-Hausnotruf in Mainz angerufen, wo die Mutter ebenso wie etliche andere Hausbewohner Kundin sei. „Es war mir fast peinlich, als ich gefragt habe, ob da eventuell in der vorangegangenen Nacht ein Notruf eingegangen war“, so Tina Kremer. Doch zu ihrem großen Erstaunen berichtete der freundliche Mann am anderen Ende der Leitung nicht von einem, sondern gleich von drei Notrufen der Mutter in dieser Nacht.

Was war los in dieser Nacht?

Für Tina Kremer gab es von da an kein Halten mehr. „Ich musste wissen, was da los war in dieser Nacht.“ Wieso drei Notrufe, wieso kam keine Hilfe, wieso hatte niemand sie verständigt? Es folgten etliche Anrufe bei den zuständigen Stellen für den Hausnotruf in Mainz. Dort habe man sich zunächst „nicht gerade kooperativ gezeigt“, so Tina Kremer, schließlich aber hätte man alle Einsatzprotokolle aus dieser Nacht an sie weitergeleitet. Der neue Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands in Kirchheimbolanden, Frederic Grange, übernahm es als eine seiner ersten Aufgaben in diesem Amt, Tina Kremer dabei zu unterstützen, Licht die Angelegenheit zu bringen. Der Kreisverband ist erster Anlaufpunkt für Hausnotrufkunden und dafür zuständig, mit ihnen jenes Datenblatt zu erstellen, in dem alle persönlichen und medizinischen Daten festgehalten sind. Festgehalten wird darin beispielsweise auch, wer im Notfall zu verständigen ist und – ganz wichtig – welche Identifikationsnummer (ID) einer Person zugeordnet ist. Diese ID zeigt sich dann beim Eingang eines Notrufs in der Hausnotrufzentrale in Mainz. In der Zentrale wird dann geprüft, ob ein Sprechkontakt hergestellt werden kann und ob eventuell ein medizinischer Notfall vorliegen könnte. Im Zweifel wird immer der Rettungsdienst verständigt. Von Seiten der Hausnotrufzentrale sei alles korrekt gelaufen, wurde Tina Kremer gesagt. Man habe alle Meldungen richtig an den Rettungsdienst weitergegeben. Dort hingegen verwahrt man sich gegen diese Darstellung. „Den Mitarbeitern des Rettungsdienstes wurde zweimal eine fehlerhafte ID übermittelt, sodass kein Schlüssel zugeordnet werden konnte“, so der Leiter des Rettungsdienstes Westpfalz, Marco Prinz. Die Schlüssel zu den jeweiligen Wohnungen sind im Hausnotrufsystem in den zuständigen Rettungswachen hinterlegt. Klar ist, dass um 3.51 Uhr ein Notruf der Mutter diese Hausnotrufzentrale in Mainz erreichte. Der dritte und letzte Notruf erfolgte rund 50 Minuten später. Was in der Zwischenzeit geschah, lässt sich wohl nur mit einer Mischung aus technischen, menschlichen und organisatorischen Unzulänglichkeiten und Fehlern erklären. Das Ganze, so Frederic Grange, habe seinen Ursprung in einem Übermittlungsfehler einer technischen Vorrichtung, die eigentlich der Sicherheit der Hausbewohner dienen soll. In der betreuten Wohnanlage in Göllheim nämlich, in der die Mutter untergebracht ist, ist zusätzlich zu allen Hausnotrufgeräten der Bewohner ein weiteres Gerät im Keller stationiert. Jedes der Notrufgeräte verfügt über eine eigene ID. Als die Mutter um 3.51 Uhr den Notrufknopf drückte, verselbstständigte sich offenbar das Kellergerät und schickte einen eigenen, zusätzlichen Notruf ab. Zwei Mitarbeiter in der Hausnotrufzentrale erhielten also – unabhängig voneinander und mit verschiedenen IDs – den gleichen Notruf. Zwar steht im Datenblatt der alten Dame ausdrücklich der Hinweis, dass die beiden Geräte sich möglicherweise verbinden, in jener Nacht aber zog keiner der diensthabenden Mitarbeiter daraus irgendwelche Rückschlüsse.

Verwirrungen bei den IDs

Beide Stellen bemühten sich darum, Sprechkontakt herzustellen, nachdem das nicht gelang, wurde der Rettungsdienst in Eisenberg verständigt. Doch weder zu der zunächst genannten ID des Kellergerätes noch zu der später dann ergänzten ID der Frau konnten die Eisenberger auf ihrer Wache einen passenden Schlüssel finden. Wie Rettungsdienstleiter Marco Prinz sagt, habe man von Seiten der Hausnotrufzentrale in Mainz nicht mitgeteilt, dass es sich bei der Adresse um eine betreute Wohnanlage handelte. Dafür liege nämlich in der Rettungswache Eisenberg sehr wohl ein Generalschlüssel vor. In der Rettungswache Kirchheimbolanden wurde anschließend der Schlüssel für die Wohnanlage gefunden. Der Rettungsdienst fuhr von hier aus zu besagter Adresse, suchte aber zunächst im Keller nach der hilfesuchenden Person. Die Information, dass der Notruf aus einer Wohnung im 1. Oberschoss kam, war offensichtlich auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht beim Rettungsdienst angekommen. Erst nach dem dritten Notruf der Frau, bei dem es offenbar zu einem Sprachkontakt kam, wurde geklärt, dass der Rettungsdienst in einer Wohnung im Obergeschoss erwartet wurde. Glücklicherweise trafen die DRK-Mitarbeiter die Seniorin zwar am Boden liegend, ansonsten aber bei guter Gesundheit an und halfen ihr zurück ins Bett. Für Tina Kremer bleiben mehrere Fragen offen: Wieso wurde beim Hausnotruf in Mainz nicht festgestellt, dass die beiden IDs zusammenhängen? Wieso konnte man auch in der Rettungswache Eisenberg dem Notruf nicht die richtige Adresse und den passenden Schlüssel zuordnen, und wie konnte es passieren, dass man später auch in der Rettungswache Kirchheimbolanden noch nicht Bescheid wusste, dass der Sender des Notrufs eben nicht im Keller zu finden war? Sie lässt die Frage nicht los, was gewesen wäre, wenn die Mutter sich ernsthaft verletzt hätte, wenn es um Minuten gegangen wäre. DRK-Geschäftsführer Frederic Grange bedauert diesen Vorfall sehr, er spricht von einer unglücklichen Verkettung auf mehreren Ebenen. Zum einen hätten die Verquickungen der beiden IDs offensichtlich zu einer großen Verwirrung geführt. „Hier müssen wir mit dem Anbieter der Systeme reden, damit diese Rückkoppelung nicht mehr vorkommt.“ Zum anderen seien eindeutig in der internen Kommunikation Fehler gemacht worden.

Vertrauen verspielt

Wie es dazu kam, dass Schlüssel nicht den passenden Adressen zugeordnet werden konnten, will Grange ebenfalls genauer überprüfen. „Ich kann nur versichern, wir arbeiten das intern genau auf, denn das ist klar, so etwas darf nicht passieren“, sagt er. Deshalb habe er sich auch persönlich bei der alten Dame entschuldigt. Er gibt aber bei allem Bedauern auch zu bedenken: „Wir haben 632 Hausnotrufkunden im Kreis, die Dienste werden regelmäßig in Anspruch genommen. Und das funktioniert gut.“ Dass es trotzdem dauern dürfte, das Vertrauen von Tina Kremer wieder herzustellen, ist ihm allerdings bewusst. Ein wichtiger Schritt sei aber bereits getan: Die Mutter von Tina Kremer ist jetzt ein weiteres Mal aus dem Bett gefallen. Dieses Mal, das sagt sie selbst, habe die Rettungskette tadellos funktioniert.

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