Kaiserslautern „Wern meer abgeheert?“

Wer glaubte, die Kabarettistentruppe Die Untiere würde am Mittwoch ein Standardprogramm abspulen, wurde im Edith-Stein-Haus eines Besseren belehrt: Wurde bislang scharf die Lokalszene analysiert (analog zum Motto „Da lacht man scharf“), so sezierte vor allem Ober-Untier Wolfgang Marschall jetzt messerscharf, mit seismographischem Gespür Spannungen, Gegenwind und gesellschaftliche Strömungen.

Geschickt nahm er so seinen Gegenspielern den Wind aus den Segeln, indem er in einem Anflug von Selbstironie die sinkende Besucherbilanz der Untiere selber präsentierte. Daneben ließ er unter den Lachsalven seiner begeisterten Besucher seine Schulzeit Revue passieren, vom Neo-Einstein und Musterknaben bis zum gestylten und gestriegelten Prototyp und Idealbild des deutschen Muttersöhnchens. Da blieb kein Auge trocken. Dagegen blieb manchem der sprichwörtliche Bissen im Hals stecken, als Marschall genüsslich die kulinarischen Schlemmerangebote eines hiesigen „Lokals zwischen Pariserstraße und Kennelgarten“ auflistete, um dieses dann –als Krönung – mit der dort aufgeführten Boulevardkomödie „Meine dicke Freundin“ abzurunden. Ein Hohngelächter sondergleichen. Und ein Schelm, wer dabei an die letzte Spielstätte der Untiere denkt. Eine weitere Stärke und im Konkurrenzvergleich wohl in dieser Qualität ein Alleinstellungsmerkmal ist das Musikkabarett der Untiere, bei dem Keyboarder und Arrangeur Edwin Schwehm-Herter scheinbar die sprudelnden Ideen für melodische Riffs und groovenden Rhythmus nicht ausgehen. Witzige Texte aller führen zu weiteren Höhepunkten, so im Song über „Korruption als eine Kunst“. Marschall beruhigt, das gäbe es in Lautern nicht; doch Marina Tamassy deckt schonungslos auf: „Funktioniert ein Rädchen im (politischen) Getriebe nicht, ist es nur schlecht geschmiert.“ Die hohe musikalische Qualität aller im harmonischen Zusammenspiel tat ein Übriges, um dem gesellschaftskritischen Geist Wasser auf die Mühlen zu geben. Eine weitere herausragende Fähigkeit der Untiere besteht darin, menschliche Charaktere (aus der lokalpolitischen Landschaft), Archetypen nach C.G. Jung, gesellschaftliche Spannungen sowie Tief- und Widersinniges aufzuspüren, um es auf der Bühne zu überspitzen. Traditionell sehen sie so das Lauterer Stadtoberhaupt als rhetorischen Selbstdarsteller mit aufgeblähten semantischen Worthülsen, wie dies Weichel-Imitator Philipp Tulius immer wieder auf die Spitze treibt – und wohl manchen auf die sprichwörtliche Palme bringt. Jetzt drehte er sogar diesen parodistischen Vorgang um und stellte die rhetorische Frage: Seit wann redet eigentlich Weichel wie der Tulius. Stark waren seine Ausführungen über Weichels rollendes „R“, das vom stimmhaften Konsonanten bis zum Triller und Gezwitscher von Kanarienhähnen vorgeführt und gesteigert wurde. Und doch ist dieser aufstrebende Kabarettist mit seinen genialen imitatorischen Fähigkeiten immer für eine Überraschung gut: In einem Sketch über Fifa-Präsident Sepp Blatter brachte er mögliche Nachfolge-Kandidaten ins Spiel und persiflierte dabei Lothar Matthäus und Reiner Calmund so überzeugend, als wären sie auf der Bühne präsent. Endlich mal wieder ein Gaststar auf Augenhöhe, eine Bereicherung und sinnvolle Ergänzung in einem anderen Genre: Volker Weininger betrat mit dem Thema Waffenexporte die internationale politische Weltbühne und schickte dabei gedanklich die gelieferten Panzer gleich bis ganz auf den Meeresgrund. Sein Fazit: Die Welt steckt voller Rätsel und Widersprüche. Nach solchen geistreichen Gedankenspielen strapazierte er zum Ausgleich die Lachmuskeln, erinnerte etwa an Werbespots der ersten Generation und führte sie am Beispiel von Tampons und Windeln unter gellendem Gelächter ad absurdum. Mit „Narrekapp“ und Anmoderation wie beim rheinischen Elferrat zeigte Weininger im zweiten Teil, wie der Alkohol die Zunge löst, aber gleichwohl auch zum Lispeln bringt, was zu sprachlichen Absurditäten und Verwechslungen führte. Wenigstens beim Finale der Untiere darf der OB einmal monatlich die politische Bühne mit der Kanzlerin betreten: In diesen Rollen treffen Tulius und Tamassy aufeinander. Die Kanzlerin wird in stoischer Ruhe und majestätischer Souveränität charakterisiert und der OB in einer gewissen Urängstlichkeit: „Wern meer abgeheert“, lautet die ihm in den Mund gelegte, bange Frage. Doch die Kanzlerin kann ihn beruhigen: „Bei Ihrem Dialekt nicht!“

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