Kaiserslautern Welt der Zeichen

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Symbole leiten Menschen, bieten Orientierung. Oder sie fassen kurz zusammen, was sonst lange gesagt werden müsste. Doch nicht alle sind gleich verständlich, manche müssen erlernt werden. Oder sie können ganz Unterschiedliches ausdrücken, je nach Kontext, wie die in den sozialen Netzwerken allgegenwärtigen Emoticons. Ein Gespräch mit dem Grafiker Charly Homberg über die Entstehung und die Kraft von Symbolen.

Ein ganz aktuelles Beispiel von dem Zusammenwirken eines Symbols mit moderner Technik und sozialen Medien: Der französische Künstler Jean Jullien hat nach den Attentaten in Paris Ende November eine Zeichnung als Symbol des Friedens gefertigt und diese in sozialen Medien gepostet. Diese Kombination von Eiffelturm und Peace-Zeichen ging in rasender Geschwindigkeit um die Welt. Das Symbol wurde gelobt aber auch kritisiert. Jeder versteht sofort, was gemeint ist: Keine Gewalt und Friede in Paris, am besten in ganz Frankreich. „Das ist als Zeichen der Anteilnahme dieses schlimmen Vorfalls sicher sehr gelungen“, sagt der Kaiserslauterer Grafiker und Künstler Charly Homberg. Sein Bedenken: Die ehemalige Kolonialmacht in Verbindung mit diesem weltumspannenden Friedenssymbol zu kombinieren. Das Peace-Zeichen, weiß Homberg, wurde im Jahr 1958 vom britischen Künstler Gerald Holtom geschaffen. Es ging um nukleare Abrüstung und war Symbol für die Friedensbewegung – zuerst nur in Aldermaston, wo auch zum ersten weltweiten Ostermarsch demonstriert wurde. Zeichen und Symbole spielen im politischen Alltag eine große Rolle. „Dazu fällt mir die ,Merkel Raute’ ein, die für die Kanzlerin Merkel steht und ihren ganz eigenen Politikstil symbolisiert“, erzählt Charly Homberg. Dabei ist es oft nur ein kleiner Schritt vom „nackten“ Zeichen bis zum Symbol, das eine Bedeutung transportiert. Auch im Alltag gibt es viele Zeichen und Symbole: Schilder, Logos und Smileys etwa. Menschen versuchen, Zeichen selbst zu schaffen oder in Bestehendes zu interpretieren. Charly Homberg nennt etwas das Sternbild Orion: „Das kann man jetzt am Winterhimmel erkennen. Nicht dass ich die einzelnen Sterne beschreiben könnte... Aber was mich fasziniert ist, dass einige der Sterne mehrere Hundert Lichtjahre voneinander entfernt sind, sich aber trotzdem zu einem gemeinsamen Bild vereinigen. Der Mensch versucht überall in seiner Natur eine Ordnung herzustellen.“ Im täglichen Miteinander ergänzen wir unsere sprachliche Kommunikation durch Körpersprache und Mimik. Eine Verständigung kommt dabei oft sogar ganz ohne Worte zustande. Man denke an die Gebärdensprache für Taubstumme. Als Grafiker kann man sich davon etwas abgucken. Gestik, Mimik, Körperhaltungen und Bewegungen werden wieder in grafische Ausdrucksformen übertragen. „Wenn man das gut macht, dann werden sogenannten Piktogramme und Smileys auch wieder gut von anderen Menschen verstanden und zur Kommunikation eingesetzt.“ Solch eine schriftfreie Kommunikation ist schneller erfassbar als ein langer Satz. Einer, der einen tiefen Eindruck bei Charly Homberg hinterlassen hat, ist der Grafikdesigner Otto „Otl“ Aicher. Er hat die Piktogramme der Olympischen Sommerspiele aus dem Jahr 1972 kreiert. „Diese Zeichen sind immer im 45 Grad Winkel konstruiert, einfach gehalten und kulturübergreifend verständlich.“ Nicht alle Zeichen sind sofort verständlich. So muss man die Bedeutung eines Verkehrszeichens erst erlernen. Als eifriger Fahrradfahrer ist Homberg, der oft die Strecke zwischen seinem Arbeitsplatz in Pirmasens und Kaiserslautern mit dem Fahrrad bewältigt, verkehrsleitenden Zeichen ausgesetzt. Rote Ampeln bedeuten Stopp und gelbe Rauten auf weißem Grund bedeuten Vorfahrt im Straßenverkehr. Durch Zeichen werden Menschen geleitet. So wie sie in der Natur immer ein strukturiertes Ordnungssystem suchen, schaffen Menschen Zeichen, die wiederum Ordnung in den Alltag bringen. So erzählt Homberg auch von einer Wanderung auf einem Teilabschnitt des Jakobswegs zwischen Metz und Nancy. „Ich war mit meiner Tochter unterwegs und wir hatten uns etwas verlaufen. Und dann bist du so glücklich, wenn du das an einer Baumrinde aufgezeichnete Wegzeichen des Jakobswegs plötzlich wieder findest, die Jakobsmuschel, und man seine Orientierung wieder findet.“ Als „besonders schöne Herausforderung“ empfindet der Grafiker das Gestalten eines Firmenlogos. „Das ist eine ganz individuelle Sache.“ Schließlich repräsentiert solch ein Firmensignet ein ganzes Unternehmen, soll Vertrauen schaffen und einen hohen Wiedererkennungswert besitzen. „Mein Lieblingslogo ist immer noch das der Deutschen Bank; an Einfachheit und Aussagekraft kaum zu übertreffen, die Reduzierung auf das Wesentliche mit großer Aussagekraft“, schwärmt er. Schlimm findet Homberg eine Überfrachtung mit Informationen, die dem professionellen Gestaltungskriterium des „Weniger ist mehr“ widerspreche. „Sich ständig bewegende, blinkende und flimmernde Symbole, die oft im Internet und auf Webseiten verwendet werden, finde ich schrecklich.“ Das verbreite nur irrsinnige Unruhe und wirke einer klaren Kommunikation entgegen. „Ganz klar führt das übermäßige Nutzen von Smileys und solchen Symbolen meiner Meinung nach zu einer Verflachung der Kommunikation. Symbole können nur das notwendigste ausdrücken. Zum Beispiel kann das Smiley :-D je nach Textinhalt ein freundliches Lachen, Kopf hoch, Auslachen oder Schadenfreude bedeuten. Oder ich kann mit drei einfachen Symbole ausdrücken ,Mann liebt Hund’. Aber versuch es mal mit ,In der Regel bevorzugen Männer eher Hunde.’ Dann wird es schwierig.“

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