Kaiserslautern Wandlungsfähiger Chor

Die etablierte Konzertreihe in der Stiftskirche „Eine kleine Marktmusik“ suggeriert mit dem Titel den locker ungezwungenen Charakter und nicht den elitären Konzertanspruch. Umso mehr überraschte, wie sich am Samstag das Vocalensemble Kaiserslautern unter Leitung von Siegward Pfalzgraf engagierte, konzentrierte und eine sehr ansprechende und ambitionierte Vortragsfolge aufführte.

Die war zunächst nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet, begann mit Lobliedern und solchen im Chorjubel vom Barock mit Alessandro Scarlatti und Johann Sebastian Bach und dann bis Knut Nystedt sowie Johannes Matthias Michel, der erst 1962 geborene Stuttgarter Kirchenmusiker. Hier traf der bestens vorbereitete und disponierte Kammerchor genau den jubelnden Aufschwung, die euphorische Grundstimmung und fiel durch Emphase sowie stimmliche und intonatorische Reinkultur in all seinen Stimmlagen auf. Den folgenden Rückzug in die Innerlichkeit leitete der Hymnus „Ave maris stella“ (Meerstern, sei gegrüßt) von Edvard Grieg ein, der ergreifender, pastoser und lyrischer kaum denkbar ist. Hier breiteten diese in allen interpretatorischen Belangen gut geschulten und sehr sicher wirkenden Vokalisten Kantilenen in betörendem Wohllaut bei nur gehauchtem Piano aus und wirkten trotz der hohen Anspannung dennoch stimmlich restlos überzeugend. Eine Bearbeitung einer ursprünglich instrumentalen Gavotte des gleichen Komponisten in Form von Vokalisen zeigte die stilistische und klangliche Wandlungsfähigkeit des Chors und von Chormusik überhaupt, da hier klangmalerisch sehr wirkungsvoll gearbeitet wird. Mit dem Aufsuchen weiterer skandinavischer Komponisten wie Hugo Alfvén und Wilhelm Stenhammer (beide in Schweden um 1870 geboren) sowie wenige Jahrzehnte später Waldemar Ahlen beschritt Pfalzgraf hierzulande ungewohntes Neuland und entdeckte den melodischen Liebreiz spätromantischer nordischer Chorsätze, die hier ebenfalls alle Vorzüge seiner Stimmbildung und Detailarbeit zeigten: Ob präzise musikalische Abläufe bei genauen Einsätzen (etwa bei einer Chorfuge), klare Spannungs- und Phrasierungsbögen oder filigrane Arbeit am musikalischen Ausdruck mit hochdifferenzierter Dynamik und Agogik – stets überzeugte die chorische Aufbauarbeit, die sowohl am Text, seiner Prosodie und auch am musikalischen Motiv intensiv arbeitet. Der Chor gestaltete sowohl im klassischen unbegleiteten A-cappella-Stil wie auch im harmonischen Zusammenklang mit dem begleitenden Organisten Matthias Koderisch in faszinierender Qualität und Expressivität. Interessant waren Koderischs solistischen Beiträge, denn sie zeigten, dass zwischen Komponisten (fast) gleichen Geburtsdatums wie hier Alfred Schnittke (1934) und Arvo Pärt (1935) dennoch erstaunliche Klangwelten liegen können. Koderisch verstand sich dabei an der Orgel nicht als Selbstdarsteller, sondern konnte die jeweilige Stilistik sehr plastisch und stringent vermitteln und charakterisieren. (rhe)

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