Kaiserslautern Von wegen Kulturallianz

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400 Besucher haben sich angesagt. Der Saal im Kurfürstlichen Schloss in Mainz soll für 120 Personen ausgelegt sein. Kann sein, dass das am kommenden Mittwoch die große Dada-Jubiläumsfeier in der Landeshauptstadt wird. Hysterisch genug ist die Stimmung. Die private Kulturallianz hat zu der Veranstaltung „Rheinland-Pfalz: Kunst und Kultur auf dem Prüfstand“ eingeladen. Stargast: CDU-Ministerpräsidentschaftskandidatin Julia Klöckner. Fast alle zunächst eingeplanten Diskutanten, darunter Britta Buhlmann vom Museum Pfalzgalerie, haben abgesagt.

Wow, das ist ja auch selten, dass eine Diskussionsveranstaltung noch vor ihrem Stattfinden so einen Alarm macht. „Wir setzen ein Zeichen“, eine geheimnisvolle private Kulturallianz Rheinland-Pfalz hat den Spruch mit gutem Recht auf den Flyer gedruckt. Für was, ist allerdings noch die Frage. Dass jetzt im Wahlkampf bald alle durchdrehen? Oder jemand es nur gut meint. Wer weiß es? Der Flyer jedenfalls weist auf eine Veranstaltung am nächsten Mittwoch in Mainz hin. Im Kurfürstlichen Schloss gleich. Irgendjemand hat eine Stange Geld in die Hand genommen, um die rheinland-pfälzische „Kunst und Kultur“ auf den „Prüfstand“ zu stellen, wie der Titel der Veranstaltung lautet, der aus Vorträgen und einer Podiumsdiskussion besteht. Unter anderem soll der Frankfurter Mehrfachdirektor (Städel, Schirn, Liebighaus) Max Hollein seine Expertise einbringen. In Form eines Vortrags zum Thema „Wie man Menschen für die Kunst begeistert“. Vielleicht war ja ein Berliner Kieferorthopäde der Geldgeber für den großen Kunst-und-Kultur-TÜV. Laut eines kursierenden Gerüchts führt Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski die Kulturallianz mit nur einer weiteren Gesellschafterin. Ob das allerdings stimmt, ist schwer zu recherchieren. Genauso wie das Programm und die mittlerweile wie bei einem kriegsentscheidenden Gipfeltreffen diskutierte Teilnehmerliste zustande gekommen sind. Eine Homepage der Kulturallianz existiert nicht. Und Google liefert keinerlei Treffer. Postadresse ist ein Mainzer Bürokomplex, in dem Anwälte residieren. Die Organisatoren sind zurzeit kaum zu erreichen. Im Ausland. Der Spiritus Rector des Unternehmens, ein „Univ.-Prof. Dr. Heinz Kroehl, Institutsleiter, Kurator, Autor“, wie es im Flyer steht, ist erst wieder Montag zugegen. Der Mann, Experte für Corporate Identity, 1935 in Mainz geboren, hat einen schwer beeindruckenden Wikipedia-Eintrag. Unter dem Suchbegriff des Instituts für Strategische Identitäts- und Kommunikationsberatung, das er leitet, wird aber nur wieder auf ihn zurückverwiesen. Heinz Kroehl jedenfalls wird, steht im Programm, die Begrüßung vornehmen und eine Einführung halten. Titel: „Zeitgenössische Kunst in Mainz am Boden? Perspektiven für einen Neuanfang“. Auf die Rückseite des Flyers sind „kritische Stimmen aus Rheinland-Pfalz gedruckt“, ohne Quellenangaben. „Was zeitgenössische Kunst betrifft, ist Rheinland-Pfalz geradezu ein weißer Fleck auf der Karte“, heißt es da. Oder: „Der Frust der Gegenwartskunst ist riesengroß.“ So in der Abrechnungs-Tonlage. Wie gut es sich da trifft, das nach Kroehl eine Rednerin ans Pult tritt, die unter Umständen bald die Macht hat, das zu ändern. Julia Klöckner, CDU-Ministerpräsidentschaftskandidatin bei der Landtagswahl am 13. März, steht nicht in Verdacht, sich in diesen Fragen besonders gut auszukennen. Aber als einzige Politikerin der ganzen Veranstaltung darf sie etwas über „Kunst und Kultur als andauernde Investitionspflicht“ sagen. Angeblich haben die anderen Parteien abgesagt. „Notwendige Konzepte und Maßnahmen“ will sie vorschlagen. Das klingt gut, aber so, als hätte sie Lösungen für die Probleme, die bei der Veranstaltung diskutiert werden sollen. Nicht mit ihr allerdings. Andere Wahlkampftermine rufen. Nach ihrem Vortrag ist sie offiziell auch gleich wieder weg. Kann schon sein, dass es ihre politischen Gegner sind, die jetzt schäumen. „Meldet Euch zu der Veranstaltung an und erhebt die Stimme!“, heißt es in einem Brief an die „lieben Mitstreiter“, den ein Mainzer Autor, Kurator und Filmexperte seit Wochen verbreitet. „Recherchiert, sofern möglich, die Hintergründe! Fragt die genannten Teilnehmer, ob sie wissen, was sie tun!“, schreibt er. Dabei sind einige Teilnehmer schon von selbst darauf gekommen, bei einer Veranstaltung abzusagen, die mitten im Wahlkampf, gefühlt von einer Politikerin präsidiert wird. Genauer, bis auf die Kunsthistorikerin Gabriele Rasch, die im Kunstbeirat der Stadt Mainz sitzt, will keiner der Diskutanten bei einer Podiumsdiskussion in Mainz antreten, die im verbreiteten Programm stehen. Alle haben nach dessen Erscheinen abgesagt und sind geräuschlos durch neue Gäste ersetzt worden. Offenbar auch der Moderator Peter Arens, Hauptredaktionsleiter Kultur und Wissenschaft des ZDF. Für ihn springt der FAZ-Journalist Peter Lückemeier ein. In der Anmeldebestätigung, die heute ankam aber, steht davon, genau wie von den anderen Änderungen, nichts. Auch nicht, dass der in Wiesbaden lebende Mainzer Künstler Mathias Graffé plötzlich als „langjähriger Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler“ auftritt, wo er das doch nur zwei Jahre gewesen ist. Einige BBK-Granden sind aufgebracht. Auch nicht, dass statt Lucas Fastabend, ein Frankfurter Künstler, der in Mainz studiert und einen Kunstraum betrieben hat, und dem die „Sache zu heiß geworden“ ist, jetzt von Martine Andernach beerbt worden ist. Das „sieht mir eher nach Instrumentalisierung aus“, sagt Fastabend. Der „Kontext“ der Anfrage, der er zugestimmt habe, sei ein völlig anderer gewesen. Das passt auch ins Bild dessen, was Dieter Kiessling, Rektor der Kunsthochschule an der Uni Mainz, zeichnet. Er habe eher „zwischen Tür und Angel“ zugesagt, sagt der Kunstprofessor. Nach einem Treffen mit Organisator Heinz Kroehl, das sehr angenehm gewesen sei. Kroehl habe ihn zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, unter anderem mit Max Hollein und dem Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses von Boehringer Ingelheim, Christian Boehringer. Was kann daran falsch sein, habe er anfangs gefunden. Kleine Runde, intensives Gespräch. Vielleicht ein Nutzen. Nach Lektüre des Flyers, mit seinem darauf abgebildeten Konterfei, habe er aber gemerkt, das geht viel zu weit. „Dass ich nicht bei einer Parteiveranstaltung auftrete, ist ja nur logisch“, meint Kiessling, dessen Stelle im neuen Programm der Art Consultant Alf-Krister Job übernimmt. Ganz ähnlich hört sich das bei Britta Buhlmann an. Auch die Direktorin der Museums Pfalzgalerie Kaiserslautern hat Heinz Kroehl eines Tages besucht. Sehr interessiert sei er gewesen. Man habe Briefe ausgetauscht. Irgendwann habe Kroehl sie zu einem Podiumsgespräch gebeten zum Thema Kunst in Rheinland-Pfalz, sagt Buhlmann. Max Hollein würde auch kommen, habe es geheißen. Buhlmann schickte ein Foto für den Flyer, den sie dann aber vor der Drucklegung nie zu Gesicht bekam. Jetzt, nach einer Einsichtnahme, meint sie: „Nee, Leute, das ist nicht meine Aufgabe.“ Das alles sehe ihr doch sehr nach einer Wahlkampfveranstaltung aus. Statt miteinander werde über etwas geredet. Mit Verlaub, das sei nicht ihre Art. Seltsam auch, was sich bei ihrer Nachfrage bei Stargast Max Hollein ergab. Der habe ihr versichert, er habe der Kulturallianz nur zugesagt, weil er ihre, Buhlmanns, Anwesenheit bei der Veranstaltung als hinreichenden Beweis für deren Seriosität angesehen habe. Ihr aber, sagt sie, sei es auch so gegangen. Nur umgekehrt.

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