Kaiserslautern Verirrt im Mall-Canyon

Wer die regionalen Kabarettisten Die Untiere noch vor Wochen im Stimmungstief mit bröckelnden Besucherzahlen sah, wurde am Mittwoch im Bahnheim eines Besseren belehrt: Wie Phönix aus der Asche stiegen die Vier zu neuem Tatendrang empor und dies wieder vor proppenvollem Saal im Lautrer Wirtshaus.

Geistreich, scharfzüngig, frivol und jovial spulten Wolfgang Marschall & Co. ihre Mischung aus Musikkabarett, Gesellschaftssatire und (regional-)politischem Kabarett ab. Inspiriert wurden sie vom Endspurt im OB-Wahlkampf, der in der zugespitzten Analyse von Urgestein Marschall „köchelt“. Marschall, geschätzt für seine an Cartoons erinnernden Metaphern, entwarf das Bild eines im Wahlrausch rasenden Oberbürgermeisters, verirrt im gigantischen Mall-Canyon. Überhaupt ist die Mall für die Untiere ein dankbarer Dauerbrenner: Sie locke Verkehrsströme in die Stadt, aber Ikea wieder hinaus. Der 50. Ikea-Markt werde in jedem Fall ein besonderer, ist sich Marschall sicher – vom umweltbelasteten Fabrikgelände zu Bio-Köttbullar. Dabei outete sich Marschall als Bausatz-Besessener mit dem obligatorischen Ersatzschrauben-Sortiment. Zurück zum Kaufrausch und der Mall entwickelte er das Horror-Szenario, dass das Motto „K in Lautern“ irgendwann für Kadaver stehe und sah im Geiste schon die Abrissbirne baumeln. Angesichts dieses Füllhorns an Häme, Spott und Persiflage brauchen Opportunisten und Aktionisten aber auch Fürsprecher: Die fanden sie in Gestalt von Marina Tamássy, die als naive Blondine stereotyp ihre Ode „Unser Klausi“ über die Rampe brachte. In einer weiteren Nummer kämpfte sie als Rockröhre im schrill-schrägen Outfit für mehr Mut, Engagement und Solidarität. Exzellent beherrscht Philipp Tulius das Durchmischen „hochgestochener“, pseudowissenschaftlich gestelzter Sprache mit banalem und pfälzischem Kolorit. Manche glauben eine Analogie zum Oberbürgermeister zu sehen, andere vermuten gar, dieser hätte bei Tulius Lektionen genommen. Immerhin sichert die groteske Sprache größtes Publikumsinteresse, und welcher Politiker träumt nicht davon im Mittelpunkt zu stehen? Ob lingual, semantisch, rhetorisch oder urpfälzisch „nach dem Schnawwel“ – der OB liefere ihm druckreife Sketche, ist Tulius Klaus Weichel dankbar. Neu war, dass er sich mit einer nicht minder ansprechenden Parodie auf dessen Herausforderer Nico Welsch einließ und so einmal mehr mit Vielseitigkeit hervortrat. Nach der Pause beschäftigte sich Marschall mit dem „Pausentee“ – oftmals mit „Geistreichem“ verdünnt. Über visionäre Begegnungen mit Bacchus und Dionysos kam er zu einem von sympathischer Selbstironie geprägten, nostalgischen Ausflug aufs Neustadter „Woifescht“. Dort irrte der kleine Wolfgang zwischen Buden und Bahnstrecke umher. Auch in dieser Nummer glänzte Marschall mit Alliterationen und pathetischen Wortspielen. Da blieb kein Auge trocken. Gaststar Roberto Capitoni entpuppte sich als ansteckender Strahlemann, der es schaffte, das Publikum aus der Reserve zu locken. Dies sei für ihn ein Kinderspiel, weil zwei Herzen in seiner Brust schlügen, das eine für seine italienischen Wurzeln, das andere für seine schwäbische Geburtslandschaft. In fiktiven Dialogen trafen schwäbischer Geiz und Sparzwang auf südländische Lebensfreude. Mit dem blauen Trikot der Azzurri, der italienischen Nationalmannschaft, und zur eingespielten Hintergrundmusik von Adriano Celentanos „Azzurro“ erwachte der Italiener in ihm. Doch vor Weihnachten hole ihn die schwäbische Sparmentalität ein: „Besser am Heiligen Abend geschämt als geschenkt.“

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