Kaiserslautern Vergangen ist die Nacht

Einen glücklichen Auftakt der „Internationalen Musiktage Dom zu Speyer“ gab bei einem festlichen Konzert am 25. Jahrestag der Deutschen Einheit Mendelssohns „Lobgesang“, seine zweite Sinfonie, genauer Sinfoniekantate. Markus Melchiori und Harald Schmitt leiteten den Domchor Speyer, den Chor der St. Hedwigs Kathedrale Berlin, das Barockorchester „L’arpa festante“ und Solisten.

Zu ihrer Stückwahl sind die künstlerisch Verantwortlichen zu beglückwünschen. Handelt es sich doch beim Mendelssohn`schen „Lobgesang“ um ein Hauptwerk romantischer Sinfonik und geistlicher Musik, eine spannende Synthese der instrumentalen und vokalen Gattung. Da das Stück im Konzertbetrieb bedauerlich wenig Beachtung findet, erscheint zudem die konzertierte Aktion der beiden Chöre besonders verdienstvoll. Uraufgeführt wurde die Sinfoniekantate 1840 in der Leipziger Thomaskirche zur 400-Jahr-Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg. Die Komposition nach Bibelzitaten und dem Kirchenlied „Nun danket alle Gott“ besteht aus zwei Teilen, einem dreisätzigen sinfonischen und einem etwa doppelt so langen vokalen mit Orchester. Ihre Fugen und Fugati sind großartige Demonstrationen der virtuosen polyphonen Satzkunst ihres Schöpfers; andererseits nehmen die lyrischen Passagen des zweiten Teils den Hörer durch vornehmste melodische Erfindung gefangen. Ihnen stehen gewaltige dramatische Verdichtungen gegenüber, und das aufgewühlte Rezitativ des Tenors mit der immer drängenderen Frage, „Hüter, ist die Nacht bald hin?“, gefolgt von der Antwort des Soprans und des Chors, „Die Nacht ist vergangen“, lässt sich an atmosphärischer Dichte kaum übertreffen. Diese Stelle enthält denn auch die Quintessenz der Aussage: die Idee des Aufstiegs von der Finsternis zum Licht, auf den Buchdruck gemünzt, des Eintritts der Christenheit in eine Epoche der Erleuchtung. Im Speyerer Dom erfuhr „Lobgesang“ anspruchsvolle Aufführung, wie zuvor auch Mendelssohns Psalm 95 und Introduktion, Passacaglia und Fuge für Orgel des Wiener Komponisten Louis Dité (1891-1969), die ihm im ersten Teil des Abends vorausgegangen waren. Sowohl Speyers Domkapellmeister Markus Melchiori bei der Sinfoniekantate als auch sein Berliner Kollege Harald Schmitt beim Psalm steuerten mit sicherer Hand das musikalische Geschehen. Beide sorgten für reibungslose Abläufe, bemühten sich um klare Linienführung, legten das mehrstimmige Satzgefüge gezielt frei und standen für gepflegte, stilvolle Wiedergaben ein. Für die Aufführungen sprachen vor allem fein ausgehörte Tonabstufungen, Piano-Schattierungen und Ausdrucksvaleurs, so etwa beim Ausklang des Psalms oder im „Adagio religioso“ des „Lobgesangs“ am Ende des sinfonischen Abschnitts. Allerdings war das Klangbild nicht immer durchsichtig. Durch pastosen, abgerundeten, homogenen Klang nahmen die vereinten Chöre für sich ein. Wünsche blieben indes in puncto Textverständlichkeit offen. Kultiviert und sensibel sangen die Solistinnen: die Geschwister Letizia und Judit Scherrer, wobei besonders erstere ansprechende Momente hatte. Tenor Sebastian Kohlhepp zeigte im Psalm eine starke Neigung zum Tremolieren, um dann in der Sinfonie mit einer in jeder Hinsicht bestechender Leistung aufzuwarten. Als versierter Klangkörper erwies sich das Barockorchester „L’arpa festante“. Schließlich ein Orgelwerk: vermutlich eine Huldigung an den Tag der Deutschen Einheit, denn Louis Dité hatte Haydns österreichische Kaiserhymne bearbeitet, die zugleich die deutsche Nationalhymne ist. Domorganist Markus Eichenlaub präsentierte das harmonisch und klanglich markante Stück sehr überlegen und, wo es darauf ankam, virtuos.

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