Kaiserslautern „Urheberrecht ist immer ein Kompromiss“

91-76936436.jpg

„Mash-up, Sampling, Remix – Die Kunstfreiheit im Zeitalter des Internets“: Zu diesem Thema hält die Juristin, Historikerin und Germanistin Margrit Seckelmann am Montag, 18. Januar, 19 Uhr, ihre Antrittsvorlesung an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Unser Redakteur Peter Kreutzenberger hat mit ihr über die ungewöhnliche Kombination gesprochen.

Frau Seckelmann, bis gestern hatte ein Konzertvideo der Rockgruppe Queen mehr als zehn Millionen Klicks auf „Youtube“. Darin singen die verstorbenen Musiker David Bowie und Freddie Mercury zusammen das Lied „Under Pressure“. Den Hit gibt’s, aber sie haben ihn nie gemeinsam auf der Bühne gesungen. Da hat also jemand nachgeholfen. Ist das Kunst im Zeitalter des Internets?

Das ist definitiv ein Beispiel dafür, weil gerade „Youtube“ sehr große Möglichkeiten eröffnet, Dinge aus ihren Kontexten zu nehmen und neu zusammenzufügen. Es ist eine eigene Kunstform, die man als „Collage“ bezeichnen könnte. Klären wir doch mal die Begriffe für alle, die damit nicht so vertraut sind: Wie würden Sie Mash-up, Sampling und Remix kurz definieren? Das fließt natürlich alles ineinander. Bei all diesen Dingen, insbesondere bei Mash-up und Remix, geht es um eine technische Form des Auseinandermontierens von Tonspuren in Liedern, von denen dann beispielsweise die Basslinie oder die Bläsersätze neu zusammengesetzt werden. Beim Sampling lässt man einfach zwei komplette Musikstücke ineinander laufen. Wenn der Eindruck nicht trügt, hat sich die Speyerer Universität für Verwaltungswissenschaften bisher nicht vorrangig mit solchen Themen befasst. Wie sind Sie denn darauf gekommen? Ich interessiere mich privat sehr für Musik und habe von meiner Dissertation über Patentrecht ein Interesse an Fragen geistigen Eigentums mitgebracht. Eine Antrittsvorlesung kann dazu dienen, solche Themen, mit denen man sich als Wissenschaftler weiterhin beschäftigen möchte, dem Publikum vorzustellen. Meine konkrete Motivation war allerdings der Fall, der gerade beim Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung anliegt: die Auseinandersetzung zwischen Moses Pelham und der Gruppe Kraftwerk um die Verwendung von Teilen des Titels „Metall auf Metall“. Wie bewerten Sie denn diesen Fall? Er hat ja eine lange Vorgeschichte, das erste Urteil ist 2004 gesprochen worden. Die Instanzgerichte haben etwas sehr Zutreffendes gemacht: Sie haben den Paragrafen 24 des Urheberrechtsgesetzes, der die freie Benutzung regelt, analog auf den Paragrafen 85 des Urheberrechtsgesetzes angewendet, in dem das Leistungsschutzrecht der Tonkünstler geregelt ist. Das ist schon eine spezifische Auslegung von Aspekten des Urheberrechts im Lichte des Grundrechts der Kunstfreiheit. Was bedeutet das mit Blick auf den Gegenstand der Klage, die Verwendung von zwei Sekunden Kraftwerk-Musik? Der Bundesgerichtshof hat in den Paragrafen vielleicht auch etwas hineingelesen, was so nicht drin stand: Auch dann, wenn man mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln einen Klang, den man benutzt hat, hätte reproduzieren können, ist dessen Benutzung nicht frei. Mit anderen Worten: War es künstlerisch notwendig, genau diesen Klang zu verwenden? Ich finde diese sehr umstrittene Überlegung durchaus sinnvoll. Bei dem Video, das Sie eingangs erwähnt haben, liegt eine geistige Auseinandersetzung mit dem Thema vor. Damit möchte man Bowie und Mercury nochmals Respekt zollen. Das halte ich, genauso wie Ironie und Parodie, für okay. Geht es dagegen wirklich nur darum, sich kostspielige Aufnahmen zu ersparen, ist das nicht vom Recht auf freie Benutzung gedeckt. Würden Sie eine Prognose zum Ausgang des Verfahrens wagen? Wenn Mash-up, Sampling und Remix, wie von mir skizziert, eigene Kunstformen sind, denke ich, das Bundesverfassungsgericht wird sich nochmals für eine kunstspezifische Betrachtung aussprechen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs widerspricht nicht der Kunstfreiheit. Trotzdem denke ich, man müsste sich das Urheberrecht auch mal mit Blick darauf ansehen, ob diese langen Fristen von 70 Jahren nach Veröffentlichung in einer Informationsgesellschaft noch sinnvoll sind. Was würden Sie vorschlagen? Auch das ist wahrscheinlich wieder genreabhängig. Bestimmte Kulturen wie Reggae und Hip Hop leben davon, auf bestimmte Rhythmen immer wieder neue Melodien zu singen. Solange das in dieser Community okay ist, habe ich überhaupt nichts dagegen. Man muss ja nicht durch das Urheberrecht diese Kulturen künstlich verunmöglichen. Veröffentlicht man aber etwas weltweit, halten sich nicht alle an solche Vereinbarungen. Da widersprechen sich zwei verschiedene Konzepte von Kunst. Letztlich muss der Staat als die gewählte Vertretung der Bürger Lösungen dafür finden. Ein anderer prominenter Rechtsfall der jüngeren Vergangenheit betraf den Hit „Blurred Lines“ von Robin Thicke und Pharrell Williams. Die bekamen 7,4 Millionen Dollar Strafe aufgebrummt, weil sie das Lied „Got To Give Up“ des verstorbenen Sängers Marvin Gaye verwendet haben sollen. Ist das nicht eine Einladung an alle, sich mit Plagiatsklagen eine goldene Nase zu verdienen? Marvin Gaye ist sehr früh gestorben und wurde von Tausenden nachgesungen. Da sind die Linien fließend. Urheberrecht ist immer ein Kompromiss zwischen der Ermöglichung weiterer kultureller Entwicklung und der Entlohnung derjenigen, die schon dazu beigetragen haben. Da finde ich den amerikanischen Ansatz zu hart und wäre für etwas mildere Betrachtungen. Insofern kann man da natürlich Plagiatsklagen Tür und Tor öffnen. Andererseits haben Thicke und Williams auch relativ viel damit verdient.

91-76916425.jpg
x