Kaiserslautern Tanz ums Geld

Habgier und Neid gegen Spielsucht und Hedonismus: Die 1606 entstandene Sittenkomödie „Volpone“, die Stefan Zweig 1926 auffrischte, ist zeitlos aktuell. Und passt wie Zolas zum Saisonstart gezeigte Börsensatire „Das Geld“ ideal zum Spielzeitmotto „Ich, ich, ich“ des Saarbrücker Staatstheaters. Regisseur Thomas Schulte-Michels hat den Text noch zusätzlich aufgepeppt und „Volpone“ am Samstag knackig auf die Bühne gebracht.

„Dass die Welt nicht langweilig werde“, ist Moscas Ziel: Der Diener der Titelfigur ist der Strippenzieher im Hintergrund, der nur scheinbar im Auftrag seines Herren ein wildes Spiel um Geld und Gold inszeniert. Selbst scheint er nicht befallen vom Virus der Habgier, das alle um ihn herum erfasst. Er hält Distanz. Und ist in dieser klugen Lesart von Thomas Schulte-Michels und dem exzellenten Spiel von Thomas Schmidt – dem Star des 100-Minuten-Abends – die spannendste Figur der satirischen Typenkomödie, die dem Zuschauer sonst überdeutlich den Spiegel vorhält. „Gold, Gold, du meine Sonne, O Reichtum, großer Gott, du Herr der Erde“, betet Volpone (Georg Mitterstieler) gleich zu Beginn seine Schätze an. „So soll es sein, alles mein“, geifert später ein „Freund“, der ihn beerben will – und klingt wie Gollum aus „Herr der Ringe“. Doch Habgier ist eine uralte Unsitte: Ben Jonson schrieb „Volpone, or the Fox“ während des aufkommenden anglikanischen Puritanismus, der das Streben nach individuellem Reichtum zuließ. Angeregt wurde der Shakespeare-Zeitgenosse durch die Äsop-Fabel des schlauen Fuchses, der sich tot stellt, um Beute witternde Raubvögel in die Falle zu locken – daher die sprechenden Namen. Der reiche Kaufmann Volpone („Fuchs“) will noch reicher werden. So behauptet er, todkrank zu sein, und nötigt potenziellen Erben Geschenke ab. Die Erbschleicher fallen darauf herein, Corvino („Aaskrähe“, Klaus Müller-Beck) gibt gar seine Frau her, Corbaccio („Rabe“, Klaus Meininger) enterbt seinen Sohn. Aus Jonsons Satire auf eine gottlose, „frühkapitalistische“ Welt, hat Stefan Zweig 1926 eine „lieblose Komödie“ gemacht, mit Elementen der Commedia dell’arte und einem Triumph des klugen Fallenstellers Mosca („Schmeißfliege“) über Volpone. Thomas Schulte-Michels arbeitet aus diesem Lehrstück das Groteske klar heraus, schon im Bühnenbild: Ein Actionpainting in gelb und schwarz bildet den Hintergrund, die Farben von Gold und Tod – und atomarer Gefahr. Der 70-Jährige inszeniert deftig bis zotig, anfangs gar präpubertär mit Furzgeräuschen. Der Regisseur hat schon an nahezu allen großen Bühnen gearbeitet (Kammerspiele München, Thalia-Theater Hamburg, Deutsches Theater Berlin) und ist nach „Die Räuber“, die er 2012 verspielt eindampfte, und „Die Vögel“ das dritte Mal in Saarbrücken zu Gast – wieder mit Kostümbildnerin Tanja Liebermann, die den Figuren typengerecht aasgeierhafte Gewandung schneiderte. Thomas Schmidt als Mosca aber steckt in einem engen Goldanzug, in dem er sich so schön verbiegen kann, dass es gruselt. Was ist dieses Wesen, dieser kinskihafte Vampir? Schmidt, der in Berlin schon unter Petras, Zadek und Gotscheff spielte, legt Mosca als Rätsel an. Oft wird die Schmeißfliege als offen hämisch durchtrieben porträtiert, so auch 2004 in der vorigen Saarbrücker „Volpone“-Inszenierung. Schmidts Mosca aber gibt sich harmlos, nahezu desinteressiert am Ausgang des Experiments. „Ihr wisst, ich kann Worte setzen“, sagt er gelassen als großer, aber dezenter Manipulator der gierigen Aasgeier und seines Herren, der hier ebenfalls ungewöhnlich gezeichnet ist. Georg Mitterstielers Volpone ist nicht boshaft, sondern ein übereifriges, gedankenloses Kind, das sich am neuesten Spielzeug freut. Für ihn ist alles ein harmlos gemeinter Spaß. Die Motivation Moscas bleibt offener, trotz seines scheinbar hedonistischen oder mephistophelischen Postulats „dass die Welt nicht langweilig werde“. Denn selbst am Ende gibt es kein triumphierendes Grinsen, keine Freude, sondern ein „Na dann, nehm’ ich’s halt“-Schulterzucken. Ist er doch ein müder Weltenlenker?

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