Kaiserslautern Sprung in die Politik

Das Pfälzische hat sie nicht verlernt. „Hajo“, sagt Regine Günther und erzählt schmunzelnd, wie sie ganz automatisch in den Dialekt verfällt, wenn sie mit ihren Eltern telefoniert, die auf dem Kotten wohnen. Günther lebt seit drei Jahrzehnten in Berlin und wird dort am 8. Dezember die neue Chefin der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt.

Die Berliner Grünen haben die anerkannte Klimaexpertin aus Kaiserslautern vorgeschlagen und damit für Aufsehen gesorgt. Denn Günther ist parteilos und kennt Politik eher aus der Perspektive der Lobbyarbeit. Seit vielen Jahren ist sie an führender Stelle in der Umweltschutzorganisation „World Wide Fund for Natur“ (WWF) tätig und berät unter anderem die Bundesregierung in Klima- und Energiefragen. Die 54-jährige Wahl-Berlinerin steht vor einem großen Schritt in ihrer Karriere. In Kaiserslautern wurde sie geboren, hier wuchs sie auf. Als Kind besuchte Günther die Goethe- und die Maxschule, die Mittelstufe erlebte sie im Institut der Franziskanerinnen, und das Abitur legte sie am Heinrich-Heine-Gymnasium ab. Schon früh interessierte sie sich für Politik. „Ich wollte einfach wissen, wie die Dinge sich entwickeln, was um uns herum vor sich geht“, beschreibt sie ihre jugendliche Neugier. Folgerichtig hat sie Politikwissenschaften und Geschichte studiert, zunächst in Heidelberg, dann acht Monate in Madrid. Ein Stipendium ermöglichte ihr einen Studienaufenthalt in Lateinamerika, wo sie für ihre Magisterarbeit forschte, eine Analyse der Umweltbewegung in Mexiko. Ihr Studium schloss sie 1990 am renommierten Otto-Suhr-Institut an der Freien Universität Berlin ab. Sie ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Regine Günther ist viel herumgekommen in der Welt, bei alledem hat sie Kaiserslautern in guter Erinnerung: „Viel Natur, viel Wald, sehr beschaulich“, das verbindet sie mit ihrer Heimatstadt, die sie in Abständen immer wieder besucht. Ein Höhepunkt war für sie das Abi-Treffen nach 25 Jahren: „Unglaublich schön.“ Dreh- und Angelpunkt ihrer Arbeit ist seit 1999 die Schweizer Umweltstiftung WWF, eine der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen. Als Expertin für nationale und internationale Klimapolitik machte sich Günther einen Namen. Seit 2015 ist sie dort Generaldirektorin für Politik und Klima. Sie wirkt mit im „Forum Energiewende“ des Forschungsministeriums und im „Kraftwerksforum“ des Wirtschaftsministeriums. Zwei Jahre lang zählte sie auch zur Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs. Aus der organisierten Politik hat sie sich herausgehalten, die Untiefen der parteipolitischen Grabenkämpfe dürfte sie in der neuen Berliner Regierung bald kennenlernen. Von ihrem künftigen Amtssitz am Fehrbelliner Platz im Stadtteil Wilmersdorf aus wird Günther auch reichlich Neuland betreten. Schließlich muss sie nicht nur beratend tätig sein, sondern auch ganz praktisch die Vereinbarungen des rot-rot-grünen Koalitionsvertrages umsetzen. Einiges davon hat schon für Ärger gesorgt, insbesondere unter Autofahrern. Nach deren Ansicht gehen die Vorhaben des Regierungsbündnisses eindeutig zu ihren Lasten. Spektakulär ist etwa das Ziel, den Boulevard Unter den Linden autofrei zu gestalten. Generell sollen in der Verkehrsplanung Busse, Radler und Fußgänger Vorrang haben. In der Klimapolitik sind die Ziele ähnlich ehrgeizig. Hier lauten die Stichworte: Solarhauptstadt, Steinkohle-Ausstieg bis 2030 und Rückkauf des Gasnetzes. „Die Koalition will Berlin schrittweise und schnellstmöglich auf eine komplett regenerative und dezentrale Energieversorgung umstellen“, ist einer jener Sätze im Koalitionsvertrag, der auf Regine Günther zugeschnitten scheint. Ihren Karrieresprung empfindet sie als „logischen Schritt“, weil sie nun Klima- und Energiepolitik auf regionaler Ebene umsetzen kann. Die Senatorin in spe ist zuversichtlich: „Es wird sehr spannend, ich freue mich darauf.“

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