Kaiserslautern So lebendig kann Lyrik sein

Gedichte sind langweilig? Keineswegs. Wer sich beim Thema Lyrik möglicherweise an trockene Schulstunden erinnert, hätte die jüngste Blaue Stunde im voll besetzten Kasino der Volksbank erleben müssen. Dort zeigte Pfalztheater-Schauspieler Rainer Furch unter dem organisatorisch wie interpretatorisch fordernden Motto „Fünf Dichter in 50 Minuten“, dass Dichtung ebenso unterhaltsam wie lebensnah sein kann – es kommt da unter anderem eben auf die Auswahl und die Art der Darbietung an.

Das Programm mit Werken von Heinrich Heine, Georg Heym, Kurt Schwitters, Kurt Tucholsky und Dylan Thomas ergab sich, so Furch in seiner Einleitung, aus einer früheren Vorbereitung für eine vergleichbare Lyrik-Veranstaltung im Pfalztheater. Viele jener Texte, die seinerzeit aus unterschiedlichen Gründen nicht verwendet werden konnten – so passten etwa die Lebensdaten einiger Dichter nicht in das vorgegebene Schema – hätten nun Eingang in das vorliegende Repertoire des Abends gefunden. Dabei zeigte sich sehr schnell, dass es sich hier keineswegs etwa um eine „Resteverwertung“, sondern um eine gut reflektierte Zusammenstellung handelte. Alle fünf Autoren passen für eine Gelegenheit dieser Art gut zusammen, haben zum Teil vergleichbare Lebensdaten und machten ähnliche Erfahrungen, stehen schließlich nicht zuletzt für außerordentliche Qualität. Letztere wurden dann durch die geschulte (zum Teil sogar freie) Rezitation des Vortragenden, der seine Lesung auch mit Informationen zu Autoren und Werken anreicherte, noch zusätzlich verstärkt. Den Anfang gestaltete Rainer Furch mit mehreren Werken Heinrich Heines (1897 bis 1856). Der „letzte Dichter der Romantik“ war unter anderem vertreten mit nachdenklichen („Mein Tag war heiter“) und spitzbübisch- kritischen Werken wie das kurze „Das Fräulein stand am Meere“, mit dem Heine seinerzeit die als schon übertrieben empfundene romantisierende Betrachtung vieler Alltäglichkeiten (hier etwa eines simplen Sonnenuntergangs) karikierte. Es folgte der frühe literarische Expressionist Georg Heym (1887 bis 1912), dessen Werke – und hier insbesondere das intensive Gedicht „Der Gott der Stadt“ – das aufmerksame Publikum ebenso gebannt zuhören ließ wie danach die Gedichte von Kurt Schwitters (1887 bis 1948). Dieser vielseitige, als Maler, Schriftsteller, Werbegrafiker und in den Bereichen Architektur und Raumkunst tätige Künstler wurde mit einigen seiner aussagekräftigsten literarischen Werke vorgestellt. Darunter war etwa das berühmte dadaistische Gedicht „An Anna Blume“, das in der Folgezeit (bis heute) Anlass für ungezählte Bearbeitungen und Hommagen lieferte. Auch nicht wenige launige Momente gab es natürlich an diesem Abend. So sorgte die „Letzte Fahrt“ von Kurt Tucholsky (1890 bis 1935) für Heiterkeit, in der sich der Autor schwarzhumorig den Tag seiner eigenen Beerdigung ausmalt. Eine Besonderheit stellte schließlich der letzte Schriftsteller im tatsächlich fast auf die Sekunde genau 50 Minuten währenden Lyrik-Reigen dar: Der Waliser Dylan Thomas (1914 bis 1953) war der einzige im Original nicht deutschsprachige Autor und der historisch zuletzt aktive. Seine von Furch in der Übersetzung vorgestellten sprachintensiven Werke, darunter auch ein jetzt abseits der Lyrik erfrischend gebotener Privatbrief, setzten einen mit viel Applaus quittierten vorläufigen Schlusspunkt unter eine gelungene Veranstaltung.

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