Kaiserslautern Selbst der Schlagzeuger ist nicht unnötig

Bedient mit der Hammond-B3 einen Klassiker: Thomas Bauser, mit Gitarrist Lorenzo Petrocca und Armin Fischer, Schlagzeug.
Bedient mit der Hammond-B3 einen Klassiker: Thomas Bauser, mit Gitarrist Lorenzo Petrocca und Armin Fischer, Schlagzeug.

Früher boomte der Jazz in Kaiserslautern. Mittlerweile, so scheint es, fristet er ein Nischendasein. Jüngstes Beispiel: Am Donnerstag hätte es bei der Top-Veranstaltung mit Lorenzo Petrocca und seinem Trio eigentlich keinen einzigen leeren Stuhl im ohnehin kleinen Rahmen des Jugendzentrums geben dürfen.

Auf den ersten Blick betrachtet, setzt Petrocca mit diesem Trio auf die bewährte, klassische Minimalbesetzung aus Tasten, Melodieträger, Bass und/oder Schlagzeug. Näher besehen, verlässt aber die Formation diese Konvention insofern, als der „Tastendrücker“ die nostalgische Hammond-Orgel der berühmten B3-Version spielt, die in Verbindung mit einem Leslie-Lautsprechersystem und durch zwei Manuale und Basspedal aus heutiger Sicht zu nostalgischen Erinnerungen führt. Und dem aus Freiburg stammenden Interpreten Thomas Bauser die Möglichkeiten gibt zur akkordischen Füllung, zu melodischen Umspielungen und Improvisationen und auch den Basspart zu übernehmen. Dass mit dem Jazz-Gitarristen Lorenzo Petrocca ein Gitarrist das Pendant bildet, erhöht nur noch den Reiz dieser Formation, denn diese konnten sich im ständigen Wechselspiel zwischen Begleitung und Soli so ergänzen, ohne dass ein klanglich-harmonisches Vakuum entsteht. Braucht man da überhaupt den Schlagzeuger? Diese provokante Frage Petroccas im Hinblick auf den smart lächelnden Stuttgarter Armin Fischer, basiert auf dem bekannten Reservoir an Musikerwitzen und -anekdoten, denen in Bands vor allem die Schlagzeuger ausgesetzt sind. Bei Fischer nur ein Gag, denn er spielt seit 25 Jahren an dessen Seite und, um es vorwegzunehmen, er störte nicht nur nicht (wie Petrocca in der Anmoderation im Understatement betont), nein: Er hielt alles souverän zusammen. Dezent und doch wirkungsvoll, ideenreich in der polyrhythmischen Struktur und doch im erkennbaren rhythmischen Impuls in Swing, Blues, Bebop und Latin (Bossa Nova). Dabei wirkte er im Klanghintergrund , ideenreich in den Breaks und insgesamt in der Mischung aus Pulsschlag und der Vielfalt an Finessen wohl unübertroffen. Dieses Trio lässt die kultige Tradition der Orgelbands der 60er und 70er Jahre wie von Jimmy Smith, Jack Mc Duff und Don Patterson wieder aufleben. Auf Obermanual (genannt Swell) und Untermanual (Great) entsteht der typische tremolierende Sound, der durch Holzgehäuse mehr klangliche Wärme und Volumen vermittelt als moderne Keyboards. Ein Generator mit elektromagnetischen Tonabnehmern und die sinusähnliche Schwingung sind technische Besonderheiten, die den außergewöhnlichen Klang prägen. So verleitete das Trio durch die ungewöhnliche klangliche Kombination zweier akkordisch denkender Instrumente – bei fehlen von Sängern und Bläsern – zu seltenen Entdeckungen der Jazz-Standards aus dem American Song- oder Realbook. Besetzung und Repertoire ab den 30er Jahren bis zu einigen Eigenkompositionen sind aber nur die eine Seite der Medaille. Die besondere Klasse zeigte sich vielmehr in der Verinnerlichung dieser Titel, also im Verzicht auf Laptops, Notenständer und Akkordsymbole. Diese haben alle drei im Kopf, das Wechselspiel aus Solo und Begleitung oder Bass funktioniert zwischen Gitarre und Orgel perfekt, ohne Blickkontakt, nahezu im blindem Verständnis. Der Impuls des Schlagzeugers setzt mit seismographischem Gespür Akzente, wirkt flexibel und doch gleichzeitig eisern im Groove. Exakte Koordination, genaues Timing der Abläufe, virtuose Episoden der improvisatorischen Ausgestaltung machen diese Extraklasse aus, die hinsichtlich Brillanz und Rasanz ihresgleichen suchen.

x