Kaiserslautern Politik und Religion

Das Verhältnis von Glauben und politischem Engagement stand im Mittelpunkt der zentralen Reformationsfeier, zu der der Protestantische Kirchenbezirk Kaiserslautern am vergangenen Freitag ins Gemeindezentrum Alte Eintracht eingeladen hatte.

Dekanin Dorothee Wüst zeigte Standpunkte über die Beziehung der Welten von Politik und Religion auf. Religion sei Privatsache, sagten die einen. Religion sei eine Art Gegenwelt zu Politik und Gesellschaft die anderen. Religion sei eine Welt für sich und doch ein Teil dieser Welt, erläuterte Wüst eine weitere Sichtweise. Die Gesellschaft bestehe aus verschiedenen Systemen: aus Wirtschaft, Kultur, Politik und aus Religion. „Und in den jeweiligen Menschen kommt das alles zusammen, ist aufeinander bezogen und spielt ineinander.“ Es gebe aber auch den Standpunkt, dass ohne Religion nichts funktioniere. Das Evangelium sei keine frohe Botschaft der Innerlichkeit, sondern strotze vor Politik, so Wüst. Jesus Christus sei ein Mann für gesellschaftliche Nischen, ein Kämpfer für soziale Gerechtigkeit gewesen. „Predigt ohne politische Dimension ist keine Predigt.“ Vier Standpunkte, die sich in der Geschichte finden lassen. Wüst lud die Besucher ein, sich auf Standpunkte einzulassen und eigene Denkwege zu finden. In Martin Luthers Hymne „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurden die Anwesenden mit der Sichtweise eines Mannes konfrontiert, der seinen Glauben sehr ernst genommen hat und damit zum Politikum wurde. Als Festredner erläuterte Michael Hüttenhoff, Professor für Historische und Systematische Theologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, Denkmodelle des Protestantismus aus der Reformationszeit, wie sich das Verhältnis von Religion und Politik denken und leben lässt. Hüttenhoff skizzierte dazu die Ansichten von Martin Luther, Ulrich Zwingli und den Standpunkt der reformatorischen Täufer auf der Grundlage der Schleitheimer-Artikel. Zusammenfassend sprach sich der Theologe für ein demokratisches Unterscheidungsmodell von Religion und Politik aus. „Es bietet Menschen mit unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und ethischen Orientierungen einen Rahmen für vernünftige Auseinandersetzungen über ethische Grundsatzfragen und über konkrete Probleme im Bereich von Politik und Wirtschaft“, so Hüttenhoff. Individuelle Denkwege und Standpunkte über das Verhältnis von Religion und Politik, angefangen von der Nachkriegszeit über die Friedensbewegung, den Mauerfall bis hinein in die Gegenwart, boten Wolfgang Kohlstruck, pensionierter Pfarrer und in der Friedensarbeit engagiert, Michael Borger, Referent im Landesjugendpfarramt, Katrin Orschiedt, Gründungsmitglied des Neuen Forums, einer Bürgerbewegung in der Wendezeit der DDR, und Max Werz, Dekanatssprecher der evangelischen Jugend Kaiserslautern. Ergänzt durch zeittypische Bildeinspielungen und bekannte Schlagermelodien gaben die Menschen aus verschiedenen Generationen einen Einblick in ihr Verhältnis von Glauben und politischem Engagement. Am Beispiel des Einsatzes für Frieden und Gerechtigkeit wurde deutlich, dass Kirche und Politik eine Gesellschaft prägen und aufeinander angewiesen sind. Tobias Naumann, Organist an der Apostelkirche, sorgte am Klavier für die musikalische Untermalung. Im gemeinsamen Lied „Schenk uns Weisheit“ wurde Gott gebeten, Urteilsvermögen und das rechte Wort zur rechten Zeit zu schenken. (jsw)

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