Kaiserslautern Pilgerfahrt zu Mr. X

Sechs „Sehnsuchtsorte“ gibt es noch bis 5. Juli in Frankenthal und in den Dörfern rundherum. Der evangelische Kirchenbezirk hat für seinen so betitelten Beitrag zum Kultursommer vier Künstler eingeladen, sich mit dem Sehnen und dem Suchen auseinanderzusetzen.

Zwischen den vier barocken Dorfkirchen und zwei modernen Stadtkirchen gerät die Fahrt von Kleinniedesheim nach Beindersheim, von Heuchelheim nach Großniedesheim und zurück in die Stadt zu einer Pilgerreise in Sachen Kunst. So unterschiedlich wie die Gotteshäuser sind auch die künstlerischen Positionen von Margret Eicher, Christiane Maether, Katharina Fischborn und Walter Schembs. Alle vier haben sich jedoch eingelassen auf den Dialog mit ihren Ausstellungsorten. Während die in Neustadt lebende Maether dem kitschigen barocken Posaunenengel in Beindersheim ihre barocken „Hambacher Mädchen“ aus bemaltem Gips zur Seite stellt, sucht Eicher in Heuchelheim bewusst den Bruch zum Raum. Mit einer riesigen, digital bedruckten PVC-Folie, auf der Tim und Struppi und ein barocker Fresko in strengem Gittermuster angeordnet sind, verhüllt sie den Altar. Ein für die Kirchgänger durchaus provokanter Akt, dem sie sich vier Wochen lang aussetzen müssen. Anlass für das Projekt der Frankenthaler Protestanten war die Verknüpfung des Kultursommer-Mottos „Mit allen Sinnen“ mit dem Barock. Von der Kunst in den Gotteshäusern wollen die Verantwortlichen, Pfarrerin Cornelia Zeißig und Dekanin Sieglinde Ganz-Walther, sich und die Institution Kirche hinterfragen und in Frage stellen lassen. „Kann Kirche heute noch Sehnsucht stillen, Antwort auf Lebensfragen geben?“, das interessiert sie. Am offensichtlichsten verkörpern „Sehnsucht“ wohl die Bronzestelen des Wormser Bildhauers Walter Schembs. Den Blick gen Himmel gerichtet, der Körper schlank nach oben gewachsen und doch der Erde verbunden. Drei seiner „Himmelgucker“ haben sich neben dem Altar der Jakobuskirche versammelt. Die Kirche im Frankenthaler Pilgerpfad ist ein idealer Ort für seine Ausstellung. Zum einen wurde der Ende der 70er Jahre entstandene Klinkerbau von Emil Wachter mit moderner Kunst ausgestaltet. Dazu gehört unter anderem ein Betonrelief, in dem die biblische Urgeschichte mit Gräueltaten der Zeitgeschichte verknüpft wird. Zu diesem leiten nun Schembs Figuren den Blick. Zum anderen hat Schembs selbst bereits vor Jahren eine blaue Kreuzfigur für die Kirche gefertigt. Neben mehreren für ihn typischen Skulpturen in Holz und Bronze, zeigt Schembs einige Acrylgemälde. Auch sie tragen die Handschrift des Wormsers, der Kopf mit den geschlossenen, oder zumindest nicht ausgestalteten Augen und die riesigen Hände sind das zentrale Element. Barock üppig, fast ein wenig zuckersüß sind die puttengleichen Gipsfiguren von Christiane Maether, die sich perfekt in die renovierte Beindersheimer Dorfkirche einfügen. Im krassen Gegensatz dazu steht das gut neun Meter breite und drei Meter hohe Gemälde „Schneckenberg“ im Nebengebäude. In Erdtönen gehalten greift es die dunklen Aspekte des barocken Lebensgefühls auf. Verkohlte Schneckenhäuser und Würmer erinnern an Vanitas-Stillleben mit verfaulten Früchten und Schädeln. Maethers Bild ist 40 Jahre alt, wird aber allein wegen der Größe selten gezeigt. Gleich drei Kirchen bespielt die in Ladenburg lebende Medienkünstlerin Margret Eicher. Copycollage nennt die Schülerin von Fritz Schwegler ihre Technik. Bilder aus Nachrichten- oder Hochglanzmagazinen vervielfältigt sie per Laserkopie und fügt sie durch Kleben und Übermalen zu Collagen zusammen. Ein Beispiel dafür ist der ornamentale Fries „Mr. X“ hinterm Altar in Kleinniedesheim, dessen Grundlage das Bild eines bekrönten Schädels aus der Wiener Karlsgruft ist. Noch weiter geht Eicher in ihren digitalen Aquarellen. Fotos von modernen Katastrophen wie Hurrikans oder Bränden bearbeitet sie mit Hilfe eines Druckers so lange, bis sie wie mit einem Pinsel dahingehauchte Pastellgemälde wirken. Perfekt in den Kirchenraum fügen sich Eichers Wandteppiche „Homo Ludens I und II“ ein. Im Stil der barocken Tapisserien huldigt sie darauf Ikonen des Fußballs. Die digitalen Vorlagen stammen aus einem Computerspiel. Wohl am schwersten zugänglich sind die beiden Papierarbeiten von Katharina Fischborn in der Frankenthaler Zwölf-Apostel-Kirche. Neben der „Diaphanen Bindung“, einer Installation aus rund 600 im Hochdruck entstandenen Linien, hat sie mit „Bleiben“ als einzige eigens für die „Sehnsuchtsorte“ eine Arbeit erstellt. In monatelanger Handarbeit bedruckte die Langenlonsheimerin rechteckige Papierflächen, auf die sie mit dem Skalpell Fenster „zeichnete“. Vom Eingang bis zum Altar, wo sich die Farbflächen verdichten, reicht das weiße Papierband, auf und unter dem die Farbflächen platziert sind. Jeder Lufthauch verändert die Anordnung, bewegt die Installation, nichts bleibt wohl, außer dem Sehnen und Suchen.

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