Kaiserslautern Pfälzerwald statt Bergisches Land

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„Musik ist Trumpf“ – wer kennt nicht die Erkennungsmelodie einer Musikrevue, die auch als Bigband-Klassiker aufgelegt ist. Am Donnerstag spielten die Untiere nicht nur alle Trümpfe aus, sondern hatten besonders mit diesem Stil einer Musikrevue ihre stärksten Momente. Dagegen blieb – nicht nur musikalisch – der Gast Kurt Knabenschuh mit einfacher Banjobegleitung im Edith-Stein-Haus eher blass.

Auch sonst endete einmal mehr der Vergleich der regionalen Kabarettgrößen mit überregionalen Gästen dieser Szene mit einem hohen Kantersieg für die Lokalmatadoren um Urgestein Wolfgang Marschall. Die Untiere haben sich seit 2009 systematisch ein Publikum „herangezogen“ und ein seismographisches Gespür entwickelt, was en vogue ist. Sie haben mit ihren Themenkomplexen in gesunder Mischung aus Lokalkolorit, Bundespolitik und Zeitgeist eine Marktnische gefunden und besetzt. Wer passt da in die übrigen Ritzen noch hinein? Der Wuppertaler Kollege war mit seinen Episoden über das dortige Brauchtum, etwa an St. Martin, an diesem Abend einfach zu weit weg. Das Bergische Land ist eben nicht der Pfälzerwald. Dabei bringt der eloquente, rhetorisch gewandte und sehr (selbst-)sicher auftretende Kabarettist viele Vorzüge mit, die sich andere mühsam erarbeiten müssen. Aber seine Angriffe aufs Zwerchfell erfolgen weder metaphorisch mit dem Rammbock, noch mit Marschalls Stilett, sondern kreisen wie die Katze um den sprichwörtlich heißen Brei. Ein in der S-Bahn gehörtes und nachgespieltes Gespräch etwa thematisierte die Kommunikationsprobleme, wie sie schon bei Loriot zu vielen treffsicheren Pointen und Sketchen führten. Sie blieben aber hier in Ansätzen stecken. Wesentlich wirkungsvoller und durchdachter ist es, nach verbindenden thematischen Leitideen zu suchen. Die Untiere punkteten hier mit der Alliteration aus Krisen, Kriegen sowie Katastrophen und karikierten in der Anhäufung von Ks – passend zu K’Town – auch die dazugehörigen politischen Hoffnungsträger. Doch Marschall listete auf, wie allein die Assoziation an diese „Heilsbringer“ bei ihm psychosomatische Beschwerden auslöse. Letztlich befürchte er irgendwann einen anaphylaktischen Schock, vorab leide er bei Seehofer unter Sodbrennen, beim Stichwort AfD an Verstopfung und sehe in der berufsbedingten Auseinandersetzung mit deren Gedankengut inzwischen eine Berufskrankheit. Zurück zum Anfang, dem raffinierten Umtextieren von Welthits, so dass sie dem Lokalkolorit angepasst werden – allerdings nicht wie eine Zwangsjacke, sondern wie ein eleganter Zweireiher. Paradebeispiel war Mireille Mathieus „Akropolis Adieu“, das zu „Andreas Rahm, Adieu“ wurde. Trotz der textlichen Abweichung schaffte es Marina Tamassy genial, nicht nur das täuschend echt wirkende Erscheinungsbild aufzulegen, sondern auch eingängige Melodie und neuen Text stimmlich wunderbar zusammenzubringen. Dazu spielte Philipp Tulius einen originellen Bass mit fallenden Basslinien, Marschall unaufdringlich aber am Puls der Musik das Drumset, und Keyboarder Edwin Schwehm-Herter trug mit vielen Umspielungen gekonnt zu einer musikalischen Glanznummer bei. Später präsentierte sich diese Chansonniere natürlich noch als Kanzlerin und gab ihren parteiinternen Widersachern mit: „Wer von meinem Kurs abkommt, verliert.“ Versteht sich der Gast Knabenschuh als Alltagskabarettist, so erreichen Marschalls nostalgisch verklärte Rückblicke in seine Jugendzeit mehr Resonanz: Badewasserzeremonien nach Loriot, allerdings anstelle der Quietscheente, mit Schaumbad und Hund lösten mehr Lachsalven und Wiedererkennungseffekte aus.

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