Kaiserslautern Osterhase jagt Weihnachtsmann

Bei der Weihnachtssatire „Wenn Knecht Ruprecht zweimal klingelt“ nutzten Wolfgang Marschall und Die Untiere die Gunst der Stunde(n), um am Donnerstag in der Stiftskirche paradoxe und absurde Auswüchse des Zeitgeistes aufs Korn zu nehmen. Sie trafen ins Schwarze, soviel vorweg. Und der in Zürich geborene, dann in Wien aufgewachsene Gast Roger Stein zielte zwar gut, aber thematisch knapp daneben.

Mit Weihnachten haben sich Humoristen, Kabarettisten, Comedians und Aphoristen gleichermaßen beschäftigt und hier eine zeitlose und unerschöpfliche Fundgrube gefunden. Ob Loriots Kommunikationsstörungen bei Hoppenstedts oder der Familienstress bei Beckers: Alle punkten mit den Auswüchsen. Bei Marschall jagt in der schnelllebigen Zeit offenbar kalendarisch (zumindest in den Regalen der Discounter) der Osterhase schon den Weihnachtsmann, den Marschall zudem in der verwirrenden Begriffsvielfalt „entlarvt“: Knecht Ruprecht als Gehilfe des heiligen Nikolaus verliert so seine Schrecken. Doch schon im Belzenickel steckt in der zweiten Worthälfte der Nikolaus drin, aber in der anderen das Belzen (verprügeln). Mit dem traditionellen Belohnen von Braven und Bestrafen von Bösen setzt sich Marschall kritisch auseinander: Das Gute sei in der bürgerlichen Erziehung das Angepasste, das Böse dagegen das Widerspenstige (Kritische?). Ein interessanter Aspekt, der schon mit Kants Kritik der reinen Vernunft beginnt. Weiter geißelte Marschall Konsumzwang, Kaufrausch (statt Engelrausch) und Kommerz mit allen Auswüchsen der „Hamsterkäufer“. Gottlob habe der OB als Biologe den Kerngedanken des biologischen Gleichgewichts berücksichtigt: Was die Mall in die Stadt hereinlocke, werde von Ikea wieder „absorbiert“. Marina Tamassy glänzte in einem Medley mit klassischen Weihnachtsliedern wie „Gloria in excelsis deo“ oder „Lasst uns froh und munter sein“, als sie mit (gespielt) mädchenhaft glockenheller Stimme und entwaffnendem Unschuldsblick, aber mit frivolen, provokanten Texten diese neu interpretierte. Die Adventszeit ist daneben auch eine Blütezeit der Straßenmusikanten: Dass hinter der Fassade eines nur scheinbar armen Wandermusikanten im Poncho kein Mensch mit südamerikanischem Migrationshintergrund (so Philipp Tulius wörtlich in dieser Paraderolle) steckte, sondern ein sich geschickt vermarktender Saarländer, verblüffte in diesem Sketch. Als letzter Mohikaner der Panflötenspieler im Playback sinnierte er über Alternativen – etwa als Zeuge Jehovas – und führte weihnachtliche Stimmung ad absurdum. Mit Geschenken setzte sich Marschall in der Parodie „Wolfgang allein zu Haus“ kritisch auseinander: Oft von Geschenken enttäuscht, weil Enttäuschungen eigentlich zu erwarten und Überraschungen stets enttäuschend sind, beschenkt sich der hier gespielt Verdrossene schließlich selbst. Roger Stein wäre eigentlich ein Gast auf Augenhöhe gewesen – wie die Untiere musikkabarettistisch sehr stark. Gleichzeitiges Begleiten auf dem Piano und Singen beherrscht der in Wien an der Musikhochschule ausgebildete Allrounder ebenso exzellent wie das Verfassen eigener Texte. Und sein Klavierpart ist ähnlich kreativ und gekonnt wie der von Tasten-Untier Edwin Schwehm-Herter. Stein kann sich akkordisch und perkussiv begleiten, kann seinen Part bei Bedarf figurieren und kolorieren und dabei die verschiedensten Stile wirkungsvoll adaptieren. Der sich als literarischer Hip-Hopper verstehende Künstler kann klassisch bis Rap einfach alles und trägt das auch noch mit Wiener Charme, einem Hauch Understatement und trockenem Humor vor. Vom Operngesang über Chanson und eigene Lieder bis zum Sprechgesang hat er vielfältige Bühnen- und Theatererfahrungen. Leider war der thematische Bezug zur Weihnachtssatire nur schwer auszumachen. Und das, obwohl an Weihnachten familiäre Tragikomödien, kommerzielle Auswüchse und Terminhatz eigentlich ihren Kulminationspunkt erreichen.

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