Kaiserslautern Nur keine Routine

Jazz-Offensive war die Devise der Klimmer-Engelhardt Group am Sonntag am Vogelwoog. Leider aber musste auch hier das Konzert von der Seeterrasse in den überdachten Innenhof verlegt werden. Der Spiellaune des swingenden Quartetts und der Sängerin Lisa Mosinski tat dies keinen Abbruch.

Angriffslustige Musik aus dem American Songbook war das. Dabei war der Zugang zum Jazzrepertoire frei von avantgardistischen Allüren, aber auch frei vom Anspruch werkgetreuer Interpretation. Volker Klimmer und Helmut Engelhardt wahrten die ritualisierten Formen und Strukturen des klassischen Jazz, um ihre Flexibilität zu erproben. Was die Spontanität beeinträchtigen könnte, wurde unbekümmert über Bord geworfen. Das oberste Prinzip lautete: nur keine Routine. Da haben sich vier Geister zusammengefunden, die eine jahrzehntelange Erfahrung auf dem Buckel haben. Und dennoch haben sie sich ein ausreichend Maß an Unabhängigkeit und infantiler Lust bewahrt, um sich ihrer Musik im ursprünglichen Sinne des Wortes spielend zu nähern. Beide, Volker Klimmer als auch Helmut Engelhardt, schienen völlig im Moment zu leben, bezogen diesen jedoch aus ganz unterschiedlichen Koordinaten. Egal, ob sie sich über Jerome Kerns „All The Things You Are“ hermachten oder „The Giant“ peitschten, die Spannungsmomente wurden aus einem völlig unterschiedlichen Empfinden für den Lauf der Zeit geboren. Sie bauten aber auch gemeinsam mit dem Schlagzeuger Matthias Frank und dem Bassisten Wolfgang Janischowski eloquente Spannungsbögen auf, die oft in intensiv-musikalischen Dialogen mündeten. Die größte Faszination aber resultierte aus dem Kontrast zwischen überwiegend eingängigen, elegant intonierten Heads der Stücke und den ausgedehnten Improvisationen, die sich harmonisch, rhythmisch und dynamisch mal mehr, mal weniger weit vom Ausgangspunkt fortbewegten. Mit seinem menschlichen Ton bestach Engelhardt in Kerns Klassiker auf dem Tenorsaxofon. Seine Ausdruckskraft, sein Facettenreichtum und vor allem die Fähigkeit, Atmosphäre und Stimmungen mit manchmal wenigen musikalischen Mitteln zu erzeugen, machen ihn zum Publikumsliebling. Überraschende Wechsel von Spannung und Lösung, langen und kurzen Werten, Konsonanzen und Dissonanzen, Zerpflücken und Formieren des thematischen Materials ließen den Hörer bei Charlie Parkers „Billies Bounce“ staunen, wobei der Berklee-Schüler in Steno-Kürzeln phrasierte und in den Höhen den Ton auch schon mal überschwappen ließ, um die Expressivität zu steigern. Mit seinen differenzierten, dicht verzierten Linien begeisterte Volker Klimmer immer wieder am E-Piano. Da schmolzen swingende und kommunikative Linien zusammen, was seine Begleiter ständig herausforderte. Gespür für stimmige Tempi und adäquate Themenbehandlung paarten sich dabei mit Vitalität. Er war sich aber auch in dienender Funktion nicht zu schade. Mit unerschütterlicher Time und perfekter Technik umkreiste der in Mainz wohnhafte Urlauterer Matthias Frank den Beat, wobei sich bei dem Schlagzeuger Sensibilität und emotionale Kraft paarten. Mit verantwortlich für den Swing und Groove, der in die Beine ging, war auch Bassist Wolfgang Janischowski, der mit unerschütterlicher Ruhe seine Saiten traktierte und mit seinem melodischen Gehalt auf sich aufmerksam machte. Wo aber vier starke Männer sind, ist oft auch eine noch stärkere Frau dabei. Lisa Mosinskis Stimme segelt sicher auf vielen stilistischen Wassern und besticht dabei durch ihre frische Unbekümmertheit. Zumal ihre Stimme sehr wandlungs- und modulationsfähig ist. So navigierte sie souverän durch die „Route 66“, klang mal wie Sommer, mal wie Winter. In Fülle, Färbung und Ausdruckskraft folgte sie stets dem Auf- und Abstieg der Dramatik der Texte, was besonders bei dem „leichtfüßig“ daher schwebenden „Girl from Ipanema“ glückte. Da kuschelte sich sogar ihr sie stets begleitender Dackel wohlig in sein Körbchen vor der Bühne. (fk)

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