Das war 2023 Neuer Künstlerischer Direktor mit einem Füllhorn der Ideen

Hat viele Ideen auf Lager: Johannes Beckmann.
Hat viele Ideen auf Lager: Johannes Beckmann.

Seit Beginn der Spielzeit im September ist er neuer Künstlerischer Direktor und zugleich Leiter der Sparte Musiktheater am Pfalztheater: Johannes Beckmann. Und deutlich prägt seine Handschrift den Lauterer Musentempel. Die Zeichen stehen dabei auf Veränderung.

Statt eines „einzigen“ Intendanten – zuletzt war dies in der Spielzeit 2021/22 der Schweizer Urs Häberli – gibt es am Pfalztheater nun drei Direktoren: einen künstlerischen (Johannes Beckmann), eine kaufmännische (Simone Grub) sowie eine Betriebsdirektorin (Marlies Kink). Plus vier Assistenzen. Eine schon personell ansehnliche Führungsriege also, die in den Monaten ihres Wirkens bislang auch schon Duftmarken zuhauf gesetzt hat. Allen voran bestimmt natürlich der Künstlerische Direktor den inhaltlichen Kurs, auch wenn alle drei betonen, im Kollektiv tätig zu sein.

Die Veränderungen beginnen schon bei Äußerlichkeiten: Ein zugegebenermaßen leicht verschnörkeltes neues Logo musste her, ein zugegebenermaßen nicht nur auf den ersten Blick etwas diffuser, dafür aber wohl modernerer und Smartphone-kompatiblerer Internet-Auftritt wurde kreiert. Und nicht zuletzt bekam das Spielzeitheft einen neuen Look verpasst, der zugegebenermaßen ebenfalls der zeitgeistigen Unübersichtlichkeit frönt – was aber bekanntlich Geschmacksache ist.

Gegen den Strich gebürstet

Doch auch inhaltlich bürstet(e) das Direktorium und allen voran Johannes Beckmann Theatergewohnheiten kräftig gegen den Strich. Anstelle der großen Musiktheater- oder Schauspielproduktion zur Eröffnung der Spielzeit gab es diesmal eine Kapitalismusgroteske als Uraufführung auf der Werkstattbühne, einen „Audio-Walk“ quer durch Kaiserslautern, einen Liederabend und mit dem „Goldenen Brunnen“ erstmals eine Familienoper zu Beginn der Saison.

Auf einen aktuell-zeitgeistigen Weg begibt sich das Theater unter Johannes Beckmann obendrein: Neben erwähnter farcehafter Kapitalismuskritik wird das Thema Umwelt groß geschrieben, etwa in dem vorweihnachtlichen Familienstück „Robin Hood“, was allerdings manchem Knirps die Tränen der Enttäuschung in die Augen trieb. Auch die Inszenierung des Shakespeare-Klassikers „Ein Sommernachtstraum“ als schrille Horrorkomödie, mit der sich der neue Schauspieldirektor Stephan Beer vorstellte, dürfte mancher Erwartungshaltung zuwider gelaufen sein. Und dass das Thema Gender nicht nur sprachlich auf der Agenda steht – so in dem Schauspiel „frau verschwindet“ – versteht sich schon beinahe.

Motto: alles neu

Aber auch neue Formate zuhauf begegnen dem geneigten Theaterfreund: Eine Veranstaltung für Nachtschwärmer etwa mit dem Titel „Spätschicht“, ein Theaterstammtisch im Spinnrädl, eine neue Tanztee-Reihe im Foyer, eine Reihe mit dem verheißungsvollen Titel „Science Meets Arts Meets Philosophy“, ein „Klima-Fokus-Wochenende“ – um nur einige zu erwähnen. Und selbst wo man an alte Formate anknüpfte, heißen diese nun zumindest neu: So ersetzt der „Blaue Salon“ den Pfalztheater-Klassiker „Blaue Stunde“.

Das Motto „alles neu“ betrifft jedoch auch die Struktur des traditionsreichen Lauterer Dreispartenhauses, das sich nun als veritables Vierspartenhaus bezeichnen darf: Junges Pfalztheater, kurz wie jovial JUP, heißt die neue, vierte Sparte, die dem Theaternachwuchs sechs Produktionen plus Konzerte plus Vermittlungsangebote beschert.

Veränderungswille ohne Grenzen?

Der Veränderungswille respektive -druck am Pfalztheater scheint also unter Johannes Beckmann eine zuvor ungeahnte Dimension zu erreichen. Ein Phänomen, das auch in der freien Wirtschaft vermeintlich unaufhaltsam voranschreitet. Allerdings gilt es, in beiden Sphären mit Augenmaß vorzugehen, will man die Menschen auf dem Weg der Innovationen nicht überfordern und in der Folge verlieren.

Und so zeigt tatsächlich mancher Manager in jüngster Zeit ein gewisses Einsehen und drückt in Sachen Innovationstempo auf die Bremse. Frei nach dem alten, deswegen aber nicht weniger wahren Motto: Weniger ist mehr. Mitarbeiter wie Kunden honorieren dies nicht selten mit einem Stoßseufzer. Ob dies – zumindest partiell – wohl auch aufs Pfalztheater übertragbar ist? Eine bei manchen Angeboten nicht gerade traumhafte Auslastung und manches gestresste Gesicht in der Mitarbeiterschaft legen solche Gedanken jedenfalls nahe.

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