Kaiserslautern „Mindesthohn für alle!“

Der letzte Vorhang für die Kaiserslauterer Kabaretttruppe Die Untiere fiel gestern Abend im Lautrer Wirtshaus im Bahnheim. Was den Abschied anbelangt, war es eine recht unspektakuläre Derniere. Auf gewohnt bissigem Niveau agierten dagegen die Kabarettisten. Und Gastkünstler Daniel Helfrich war eine echte Granate.

Ein Dankeschön an die Technik, an den Veranstalter und der Hinweis darauf, dass man ab Januar im Edith-Stein-Haus spiele: Das genügte Ober-Untier Wolfgang Marschall. Die Trennung von ihrer bisherigen Spielstätte verlief weitaus diskreter als seinerzeit jene vom Cotton Club (wir berichteten). Unstimmigkeiten liefen heuer eher hinter den Kulissen ab, was beiden Parteien sicherlich nicht schadet. Bleibt zu hoffen, dass die Untiere im Edith-Stein-Haus einen geeigneteren Rahmen für ihr oftmals filigranes und hintersinniges Wortfeuerwerk finden als das doch recht umtriebige Wirtshaus samt seinen gastronomischen Ambitionen. Einiges vorgenommen hatten sich auch diesmal wieder Mastermind Marschall, Marina Tamassy und Edwin Schwehm-Herter – Jungkabarettist Philipp Tulius war wegen seiner Diplomarbeit entschuldigt. Und auch wenn die frische, belebende Note seines Spiels sowie seine Figuren des Finanzministers Schäuble und vor allem des frisch wiedergewählten Oberbürgermeisters Klaus Weichel spürbar fehlten, gelang der Parforceritt des „Rest-Trios“ – oder wenn man so will der Ur-Untiere – durch die Niederungen der Kommunal- bis in die Spitzen der Bundespolitik. Klar sezierte Wolfgang Marschall dabei zunächst genüsslich den „Wahlerfolg“ des OB: Gerade mal 11.503 Bürger von 76.731 Wahlberechtigten hätten sich für ihn entscheiden können. Und angesichts der Mager-Wahlbeteiligung von 28 Prozent: 72 Prozent der Bevölkerung sei das Ergebnis eben schlicht schnurz gewesen – das sei Parteiverdrossenheit pur. Es stelle sich die Frage nach einer Untergrenze, ab welcher Beteiligung Wahlen eigentlich noch zählten. Weiter ätzte Marschall über die vorhergegangene „Wahlkampffarce“ mit zwei Pappkameraden par excellence und einem Sieger aufgrund der „Hofberichterstattung by RHEINPFALZ und gesponsert von ECE“. Investigativer Journalismus jedenfalls sehe anders aus als das „lokale Presseorgan“. Und in acht Jahren? Da sieht Marschall „etwas Großes“ auf Lautern zukommen: statt eines OBs eine „OBöse“ in Person der „siegreichen Susi“, während das „Rahmstielzchen for President“ in den Landtag abgewandert sei. Einen eher kurzen Ausflug in die Bundespolitik gönnte sich Marschall diesmal, indem er sich über die moralische Integrität der Amts- und Mandatsträger ausließ, vor allem mit den Grünen und der SPD abrechnete und schlussendlich einen „Mindesthohn für alle“ forderte. So konträre Rollen wie einen allerliebsten Weihnachtsengel und die struppige Wutbürgerin Berta füllte Marina Tamassy mit Leben. Konsum- und Sozialkritik brachten dabei beide ganz unterschiedlich über die Rampe. Doch der Knaller ist nach wie vor ihre Verkörperung von „Mutti“ Merkel, die diesmal mit „Haubitzen-Ursel“ und der „Glöcknerin von Rheinland-Pfalz“ abrechnete sowie verschmitzt triumphierend „Ich bin die CDU“ und vom „Angie Wonderland“ sang. Nicht nur sie brachte das Thema Weihnachten aufs Tapet, das taten auch ihre Untier-Kollegen: Marschall etwa mit den launigen, schön überspitzen Betrachtungen zum Nadelverhalten diverser Weihnachtsbäume und Schwehm-Herter mit seinen vom Satire-Magazin „Titanic“ inspirierten „Weihnachtsliedern für Legastheniker“. Ein Filou im besten Wortsinn ist der Musikkabarettist Daniel Helfrich. Mit unwiderstehlichem Lausbubencharme packte er das Publikum zunächst bei den eigenen Schwächen und stellte so geschickt eine Verbindung her. Sympathisch, nett und vorausschaubar waren an diesem Punkt noch die Gags des Strahlemanns aus dem Odenwald. Vom unverstellten Blick aus blitzenden Kinderaugen und einer (dazu)gehörigen Portion Phantasie sprach sein Lied, das die Befindlichkeit eines Liedes schildert. Es ist froh, kein Lied von Helene Fischer zu sein – und los ging die Abrechnung mit der derzeitigen Schlagerstimme Nummer eins. So richtig schön politisch unkorrekt wurde Helfrich im Verlauf seiner beiden gut 20-minütigen Sets etwa in seinem Weihnachtslied. Zu akrobatischem Wortwitz fand er in den Songs über die Liebe zu einer Erdkundelehrerin oder einen Ohrwurm auf einem Bohrturm. Nonsens der Extraklasse war das – Wiederhören ausdrücklich erwünscht!

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