Kaiserslautern Mehr als nur ein Fräulein

Das dritte Ensemblekonzert der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) widmete sich am Sonntag im SWR-Studio in lobenswerter Absicht einer Instrumentenfamilie: Die gängige Orchesterklarinette in gewohnter A- und B-Stimmung wurde durch ihre kleineren und größeren Schwestern ergänzt. So waren Raritäten zu hören, die in der Orchesterliteratur nur bei exponierten Stellen und bestimmten Werken zum Einsatz kommen.

Dies begann schon mit anonym überlieferten Airs – eigentlich mehr im Charakter einer Intrade – des frühen 18. Jahrhunderts, als Stefan Zimmer und Stefan Zillmann die seltene, hohe D-Klarinette vorstellten. Und diese wurde hier bevorzugt im hohen Clarin-Register eingesetzt; das klang fanfarenartig wie bei Weckrufen am Hof. Satztechnisch ließen sie durch Imitationen in Echowirkungen aufhorchen. Diese Kleinodien früher Klarinettenliteratur fanden hier ihren Meister hinsichtlich Lockerheit und Sicherheit der Tonansprache. Bernhard Crusell (1775 bis 1838) hat für die Klarinette virtuose Solokonzerte geschrieben, die in ihrer Art der virtuosen Umspielung melodischer Linien in reichen Kolorierungen an jene von Louis Spohr und mit ihrer Brillanz an die von Carl Maria von Weber erinnern. Diese Synthese war auch bei dessen Quartett für Klarinette (Stefan Zimmer), Violine (Ulrike Hein-Hesse), Bratsche (Reinhilde Adorf) und Violoncello (Adnana Rivinius) zu hören. Dieses gab dem Klarinettisten Gelegenheit, sich als „Primus inter Pares“ auszuzeichnen – eine führende Rolle, die sich der komponierende Klarinettist Crusell für seine Auftritte sozusagen auf den Leib geschrieben hatte. Stefan Zimmer verfügte auf der B-Klarinette über eine sehr sichere, geschmeidig-elegante Spieltechnik, die ohne erkennbare Verlegenheiten alle grifftechnischen Probleme trotz mitreißender Rasanz der Ecksätze mit Bravour bewältigte. Dazu mit einer sehr ausgeglichenen Tongebung, in der Klangfarbe dominant und hell sowie markant hervortretend, im Staccato allerdings bisweilen etwas hart und nicht immer locker perlend. Die dritte Klarinettenart der Instrumentenfamilie kam bei Mendelssohns beiden Konzertstücken für Bassetthorn (in F) und Klarinette mit Klavierbegleitung zum Einsatz. Das von Stefan Zillmann sicher gehandhabte Bassetthorn gehört nicht zur Horn-, sondern zur Klarinettenfamilie. Es handelt sich um eine erweiterte Klarinette mit charakteristischem Knick in der Birne und nach oben gebogenen, versilberten Schalltrichter. Die Aufführung dieser Konzertstücke in der Klavierfassung mit Randolf Stöck (es gibt noch eine orchestrierte) war hinsichtlich atemberaubender Brillanz und Eleganz der sich anmutig umschmeichelnden Kapriolen und der Wärme des Tons bei den Kantilenen kaum zu überbieten. Hier zeigte sich eine Wesensart des Instruments am deutlichsten, die von einer musikantisch beseelten Spielfreude lebt. Die Interpretation gelang mitreißend schwungvoll und im Finalsatz des zweiten Konzertstücks in vollendeter Harmonie absolut synchroner Spieltechnik. Respekt! Meisterwerke für Klarinette verdankten ihre Entstehung oft der Freundschaft von Komponisten mit Klarinettisten: So wurde Mendelssohn von Vater und Sohn Baermann angeregt, Brahms von Richard Mühlfeld (den er übrigens launig „Fräulein Klarinette“ nannte) und Mozart von seinem Logenbruder Anton Stadler. Für diesen komponierte Mozart ein Konzert und ein Quintett mit Streichquartett. Allerdings hinterließ Mozart einige Fragmente, dazu gehört auch das am Sonntag rekonstruierte einsätzige Quintett für Klarinette, Bassetthorn und Streichtrio, das von Franz Beyer ergänzt wurde. Diese Bearbeitung war aufgrund der subtilen, alle melodischen Feinheiten erfassenden Interpretation für die Klarinettenliteratur eine absolute Bereicherung. Wer bei der Sonate von Othmar Schoeck für Bassklarinette und Klavier gemäßigte, gesetzte Klangsprache und getragene Melodiebögen erwartete, wurde eines Anderen belehrt: Trotz seiner über 400 Lieder ist der Schweizer Spätromantiker (1886 bis 1957) bei aller Aufwertung durch die Einspielungen des Starbaritons Fischer-Diskau kaum bekannt. In der Sonate reiht er im Kopfsatz kadenzartige Läufe sehr ansprechend aneinander und lockt insgesamt das weiter mensurierte Instrument aus seiner Reserve. In geschmeidigen Legatolinien schöpfen Komponist und Interpret das ganze Klangspektrum aus, und der mit großer Übersicht waltende Pianist Randolf Stöck bereitete mit dezentem Klangteppich den Boden.

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