Kaiserslautern Lebendiger Zeuge der Vergangenheit

Beim letzten Konzert des diesjährigen Abendkirchen-Zyklus’ am Freitag befand sich die Stiftskirche im „Engelrausch“, so der Titel des Programms der Formation Tango Transit. Seit 2008 sorgt das in ungewöhnlicher Besetzung auftrumpfende Trio aus dem Frankfurter Raum für Furore – sowohl in waghalsiger Spieltechnik wie auch mit originellen Arrangements und kühnen Improvisationen.

Der virtuose Akkordeonist Martin Wagner, der in akrobatischem Daumenaufsatz die höchste Tenorlage erobernde Kontrabassist Hanns Höhn sowie der alles zusammenhaltende und belebende Schlagzeuger Andreas Neubauer hatten zunächst den klassischen Tango einer radikalen Verjüngungskur unterzogen, indem sie nachwiesen, dass gängige Schemata mit neuem, pulsierendem Leben beatmet werden kann. So fließt die Cajun-Musik Louisianas mit Sintiklängen zusammen und verbindet sich mit Stileinflüssen des französischen Musette sowie mit orientalischen Tonsystemen zu einer Art Weltmusik. Diese Herangehensweise übertrugen die drei exzellenten Musiker nicht minder erfolgreich auf „Christmas Carols“, was letztlich ebenso viele begeisterte Zuhörer anlockte. Pfarrer Bergmanns Konzeption greift, ohne seine Konzepte wäre die Stiftskirche mit ihren gotischen Spitzbogenfenstern für viele nur ein steinerner Zeuge der Vergangenheit. Durch festliche Illumination und lebendige Präsentation wurde auf historischem Boden eine Synthese aus überlieferter Thematik und kreativer Umgestaltung zum Synonym für lebendigen Glauben und Gemeindeleben überhaupt. Bearbeitungen von Weihnachtsliedern gibt es inzwischen für alle erdenklichen Besetzungen und in verschiedenen Musikstilen in Hülle und Fülle. Andere als die gewohnten Rhythmen und Harmonien sowie Besetzungen verleiten dabei zu neuen musikalischen Entdeckungen. Doch die Formation Tango Transit geht einen entscheidenden Schritt weiter: Es geht ihr nicht um eine freiere Bearbeitung des Themenmaterials, sondern um eine eigene, neue, spontan und originell wirkende Musizierform, die aus dieser „nur“ inspirierenden Quelle entsteht. Die melodischen Konturen können zwar gelegentlich schemenhaft durchschimmern, sind aber oftmals so verschleiert, dass aus dem Alten etwas völlig Neues entsteht. Da werden beispielsweise auf dem Akkordeon brillante Figurationen und Umspielungen so umgedeutet, dass sie eine Art romantische Konzertfantasie ergeben. Dazu spielt der Kontrabassist mal gestrichene, stützende Kantilenen und führt dabei sein kantabel klingendes Instrument wie ein Violoncello in die Tenorlage hinauf. Oder er folgt den jazzigen und peppigen Impulsen des Schlagzeugers und setzt dann seinen Kontrabass mehr perkussiv im atemberaubend schnell gezupften Pizzicato mit lebhaft pulsierenden Achtelrhythmen ein. Und der Schlagzeuger sorgt nicht nur für den pochenden Pulsschlag dieser originellen Musik, sondern bringt die ganze rhythmische Vielfalt zeitgenössischer Rhythmen ein.

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