Kaiserslautern Knusper, knusper, Gummibärchen

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Morgen, Kinder, wird’s was geben… Schön wär’s ja, aber das ist längst Vergangenheit. Mittlerweile beginnt die Adventszeit nicht nur in den Supermärkten schon im August, sind „dank“ Internet Festtags-Artikel das ganze Jahr über erhältlich. Allein in der Musikindustrie hält sich noch der schöne Brauch, dass Weihnachtsalben tatsächlich erst zum Ende des Jahres neu veröffentlicht werden. Eine kleine Auswahl wollen wir Ihnen anbei geben – auch als letzte heiße Geschenktipps.

Wenn allerdings Plácido Domingo für sein „My Christmas“-Album ausgerechnet Helene Fischer verpflichtet, spricht das nicht unbedingt für Stilsicherheit. Sei’s drum, zum Festtags-Glück gibt es andere Kollegen wie Philipp Ahmann, der da mit dem NDR Chor weit mehr Geschmack beweist und eine Weihnachtslieder-Reise durch die Epochen von der Reformationszeit bis ins 20. Jahrhundert unternimmt: transparent wie effektvoll und gelungen in der Gegenüberstellung der stilistischen Unterschiede. Das Sextett Singer Pur, das aus den Klassikern einen Adventskalender erstellt hat. Oder Bell’arte Salzburg, die sich für ihre „Himlische Weyhnacht“ auf die Suche nach Werken der Lutherzeit gemacht und ein nicht nur dramaturgisch gelungenes Abbild jener Epoche geschaffen haben. Und auch das Dutzend Damen und Herren des Ensembles Stile Antico lässt ob seiner Musikalität ebenso aufhorchen und innerlich aufjauchzen wie die funkelnde Polyphonie in den ausgewählten Renaissance-Sätzen. Aber unseren Hörgewohnheiten ist vielleicht der Gesang der Windsbacher Knaben doch noch etwas vertrauter, die sich voller Frische und in faszinierender Reinheit der viel zu selten zu hörenden Kantaten 4-6 des Weihnachtsoratoriums angenommen haben. Noch weniger bekannt dürften hierzulande die traditionellen Weisen aus Großbritannien sein, die das Quadriga Consort in ungewöhnliche Arrangements verpackt hat – und der Kölner Akademie ist mit den melodischen Winter-Werken des Malteser Barock-Komponisten Girolamo Abos sogar eine echte Ausgrabung gelungen! Zum Fest muss es also dann doch nicht Helene Fischer sein. Der Stuttgarter Carus-Verlag bereichert mit seinem wunderbaren Lieder-Projekt seit Jahren die Musiklandschaft. Die CD-Aufnahmen werden dabei immer von einem Liederbuch begleitet, wodurch das Mitsingen, vor allem das Miteinandersingen – in der Schule oder zu Hause in der Familie, aber auch im Chor – möglich wird. In der Reihe sind bereits Volks-, Wiegen- und deutsche Weihnachtslieder erschienen. In diesem Jahr kommen zwei CDs mit Weihnachtsliedern aus aller Welt dazu. Interpretiert wird das Liedgut aus Dänemark oder Tschechien, aus Korea oder Australien, aus Kanada oder Venezuela vom Athesinus Consort Berlin unter der Leitung von Klaus-Martin Bresgott und vom Calmus Ensemble. Einem ebenso besinnlichen wie musikalischen Heiligabend steht damit nichts mehr im Wege. Weihnachten und Oper: Wer denkt da nicht sofort an Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“, ein Werk, das bei genauem Hinhören trotz des märchenhaften Inhalts seine enge Verwandtschaft mit Richard Wagner nicht verleugnen kann. Also irgendwie doch eine ernste und besinnliche Sache. Man kann’s aber auch ganz anders machen, so wie die Radio Brass Saar – fünf Blechbläser der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern – und Schlagzeuger Michael Gärtner mit ihrem Arrangements aus den Melodien der Oper für kleine Besetzung. Und dann die Geschichte nicht von irgendeinem Märchenonkel erzählen lassen, sondern von Kabarettist Detlef Schönauer alias Jacques Bistro. Herausgekommen ist dabei „Hänsel und Gretel“ für besagte fünf Blechbläser – Robert Hofmann, Joachim Schröder (Trompeten), Martina Reitmann (Horn), Guilhem Kusnierek (Posaune) und David Polkinhorn (Tuba), einen Schlagzeuger – „der schön Krach macht“ – und einen „Dummschwätzer“. Dass diese moderne, saarländisch-französisch-hessische Version (das Hexenhaus steht im Taunus) mit Gummibärchen und Popcorn allen Beteiligten großes Vergnügen bereitet, ist dieser CD anzuhören, ein Vergnügen, das sich auf die Zuhörer überträgt, ganz egal, ob Kind oder schon erwachsen. Und ganz nebenbei: Ein Abendsegen in Blechbläser-Arrangement ist purer Hörgenuss, auch noch lange nach Weihnachten. (pom/cfo/gil) CD-Tipps —Placido Domingo: „My Christmas“. Helene Fischer, Piano Guys, Idina Menzel u.a.; Sony. —NDR Chor/Philipp Ahmann: „Es ist ein Ros entsprungen – Weihnachtliche Chormusik“; Label Es-Dur. —Singer Pur: „24 Lieder zum Advent“. Oehms Classics. —Bell’arte Salzburg: „Himlische Weyhnacht – Festliche Gesänge von Luther bis Bach“; Berlin Classics. —Stile Antico: „A Wondrous Mystery – Renaissance Choral Music for Christmas“; Harmonia mundi. —Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248 (Kantaten 4-6). Windsbacher Knabenchor, Deutsche Kammervirtuosen Berlin, Martin Lehmann, Jutta Böhnert, u.a.; Sony. —Quadriga Consort: „Winter’s Delights – Early Christmas Music and Carols from the British Isles“; Harmonia mundi. —Girolamo Abos: „Magnificat – A Maltese Christmas“; Kölner Akademie, Michael Alexander Willens, Zoe Brown u.a.; cpo. —Athesinus Consort Berlin/Calmus Ensemble: „Weihnachtslieder aus aller Welt,“ 2 CDs, Carus; das Liederbuch (inklusive einer Mitsing-CD) hat 128 Seiten und kostet 28 Euro. Erschienen bei Reclam/Carus. —Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ nach Detlef Schönauer mit Radio Brass Saar und Michael Gärtner (Schlagzeug) perc.pro; 12 Euro über www.perc-pro.com

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