Kaiserslautern Jeder Song ein Ereignis

Er erlaubte sich keine derben Scherze oder irgendwelche Eskapaden. Ganz im Gegenteil. Andreas Kümmert, der im März im deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest als klarer Sieger hervorgegangen war, den Sieg aber der Zweitplatzierten Ann-Sophie überließ, zeigte sich am Freitagabend in der Kammgarn vor 90 begeisterten Besuchern als liebenswerter Musiker und grandioser Blues-, Rock- und Soulsänger. Ausgerastet ist er nur an der Gitarre und mit seiner unnachahmlichen Stimme.

Trainingsjacke, das spärliche Haupthaar sauber rasiert, Sauerkrautbart, körperlich ein Schwergewicht – so nimmt er Platz auf dem kleinen Podest auf der Bühne. Mit dem ersten Song, „Crossroads“, zeigte sich sogleich, dass er auch musikalisch ein Schwergewicht ist. Auf der Minibühne fühlt er sich sichtlich wohl bei seinem Akustikkonzert. Fast wie im Wohnzimmer. Er ist der lebende Beweis dafür, dass man aus Unterfranken kommen und trotzdem wie ein Schwarzer aus Mississippi singen kann. Stark erinnert seine Stimme aber auch an den vor kurzem verstorbenen Joe Cocker, der von vielen Sängern kopiert, aber nie erreicht wurde. Andreas Kümmert kümmert das überhaupt nicht. Er muss niemanden kopieren. Er ist absolut authentisch. Er muss auch nicht vor seinen Anhängern in die Knie sinken und in choreografierter Ekstase sein Haupt schütteln. Kümmert braucht nichts als seine Stimme und seine Gitarre. Damit macht er aus jedem Song ein Ereignis. Bei Stevie Wonders „Easy“ versteht er es, seine ungemein flexible Stimme vom schmiegsamen Soul-Gewisper bis zum ekstatischen Rock-Crescendo hinaufzuschrauben. Titel wie „Feeling allright“, „Peaceful easy feeling“ oder „To love somebody“ vereinen in seinem Vortrag die erdige Wärme des ländlichen Rhythm’n’Blues mit der effektvollen Grellheit des urbanen Rock’n’Roll. Dabei schwelgt seine dynamische, facettenreiche Gospelstimme beseelt, jubiliert im Falsett aus Freude am Leben und raunt in Reue über verlorene Glücksmomente. Aber auch seine eigenen Songs, wie „Sunrise“, „Home is in my Hands“ oder „Heart of Stone“, mit denen er beim Song Contest 78,7 Prozent aller Fernsehzuschauer für sich gewinnen konnte, überzeugen absolut. Viel freier, gelöster, entspannter wirkt er dabei als im Fernsehen. Wenn er sie mit charakteristischem Overdrive und mit emotionaler Direktheit intoniert, startet seine Stimme im sanften Gleitflug, schlägt schließlich Loopings und landet mit ungekünstelter Intensität. Auch in seine Balladen legt er unendlich viel Gefühl, ja Seele. So wird jeder Song von tosendem Beifall begleitet. Ergreifenden Harmoniegesang erlebt das Publikum, als Sophia Weyrich Kümmert mit ihrer hellen, klaren Stimme unterstützt. Auch gitarristisch hat der 28-jährige Künstler einiges zu bieten. Ohne Plektrum, nur mit den Fingern gelingt ihm ein virtuoses Spiels mit rhythmischen Elementen, perkussiven Slap-Einlagen und zweihändigem Tapping. Mehr begleitende Funktion hatten Sebastian Bach am (Mini-)Keyboard und Michael Weippert am Schlagzeug. Doch Bach wusste mit perlenden Läufen immer wieder zu gefallen, besonders wenn er bei den rockig-souligen Songs die Tasten mit den ganzen Handballen traktierte. Eher zurückhaltend, aber präzise wie eine Schweizer Uhr sorgte Weippert für den notwendigen Groove. Ein Sturm der Begeisterung ergoss sich am Ende über die drei Musiker, zumal sie das Publikum mit AC/DCs „Up to my Neck in you“ hochgekocht hatten. Ohne drei Zugaben kamen sie nicht von der Bühne.

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