Kaiserslautern Huhn oder Ei?

Keine Frage: Kaiserslautern bietet paradiesische Lebensverhältnisse – zumindest für Kabarettisten wie die Untiere. Wer war wohl zuerst da – die am Mittwoch wieder vor ausverkauftem Saal im Lautrer Wirtshaus im Bahnheim reüssierenden Untiere? Oder siedelten sie sich erst an, als hier bereits ein idealer Nährboden politische Satire sprießen ließ?

Die Huhn-und-Ei-Frage scheint berechtigt, weil Philipp Tulius bei seiner inzwischen perfektionierten Parodie des Oberbürgermeisters lakonisch feststellte: „Der (Weichel, d. Red.) redet inzwischen wie der Tulius.“ Ist das Programm „Da lacht man scharf(züngig)“ nun eine parodistische Übertreibung oder Realsatire? So lautet eine weitere Kardinalfrage, denn Sprachrohr Wolfgang Marschall braucht nur Originalkommentare kommunaler Politiker zu zitieren und erntet schon Lachsalven. Fazit: Die besten komödiantischen Unterhaltungsprogramme schreiben die Politiker eigentlich selber. Marschalls Nachlese zur Kommunalwahl ging von der Prämisse aus, dass man (frau) sich an Missstände gewöhnt habe, das spiegele sich auch im Wahlergebnis. Oder die „Lautringer“ hätten das Wahlsystem nicht verstanden und die Führung wegkreuzen wollen. Mit Kalkül wolle Klausi (Weichel) großkoalieren, er wolle keine starke Opposition. Oder wittere er in kluger Voraussicht einen Regierungswechsel in Mainz und brauche daher für eine erstarkte Julia Glöckner ein Schutzschild? Im Filz von Interessensverflechtungen bleibe so manche Laus hängen. „Die Spezies Filzlaus war geboren, und vor dem Filz sind alle Läuse gleich“, schlussfolgert der in barocker Theatralik auftrumpfende Marschall. Und: Auszubildende seien hier eben Filzstifte. Das Beispiel von nachgewiesen zu hoch gezahlten „Aufwandsvergütungsentschädigungen“ für Stadtratsmitglieder verleitete ihn zur Annahme, es müsse doch noch geheime Geldquellen geben. Oder sei man so arm, weil man nicht rechnen könne? Daneben sind Marschalls Umkehrschlüsse und Wortspiele wie „Mall-Minarett“ zurecht gefürchtet. Die Verwandlungskünste von Marina Tamassy beginnen mit selbst entworfenen Kostümen, unterstützt von situativ angepasster Gestik und Mimik und gesangstechnisch verankert im Genre von Musikkabarett bei Parodien von Chanson-, Schlager- und Rocksängerinnen. Beim „Filz in Lautern“ wirkte sie wie die französische Chansonnière Mireille Mathieu. Während diese von Paris träumte, fühlte sich Tamàssy der Wahlheimat Lautern verbunden, trotz der Vermutung, dass man hier auf Schein stehe und auf Blender reinfalle. Dass Edwin Schwehm-Herter solche Texte oder Umtextierungen arrangieren kann, ist ebenso ein Glücksfall für die Region wie die kreativen Texte des Ensembles selbst. Dass Tamàssy bei ihrer enormen Vielseitigkeit auch schrill-schräge Typen wie Nina Hagen verkörpern kann, weiß und fürchtet man: scharfzüngig im Text, entwaffnend im Charme und frivol in der lasziven Gestik. Neu war, dass dies offenbar auch auf Tulius abgefärbt hat: Zu John Kanders Musik wurde die Ode an „New York, New York“ zur Liebeserklärung an Lautern. Das war auch stimmlich und musikalisch ein ganz starker Auftritt. Während die Untiere in gewohnter Hochform im Redeschwall sprudelten wie die Quellen in den Gärten des Olymp, schaltete Gastkabarettist Matthias Jung aus dem Hunsrück einen Gang zurück. Seine Selbstanalyse als Muttersöhnchen wirkte fast eine Spur larmoyant: Er wolle keine Gutenacht-Geschichten mehr von Mami, auch wenn er dann aus dem Ehebett fliege... Muttis Schlussfolgerung gipfelte im mütterlichen Rat: „Es ist Zeit für eine eigene Wohnung.“ Daraufhin konterte der schlagfertige Entertainer: „Keine Sorge, ich komm’ mit Papa klar!“ Diese Selbstironie kam an und hätte weiter ausgeführt werden sollen. Stattdessen war Jung dann als Weltenbummler unterwegs, hätte so eigentlich viel zu erzählen gehabt, verlor sich jedoch in Ausschweifungen, die ihn bis zur Ballade vom „Erlkönig“ von Goethe führten – wenn auch in umtextierter Form. Eine Konzentration auf wenige Themenfelder – und diese tiefsinniger aufbereitet – würde seinem Programm guttun.

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