Kaiserslautern Gleiche Prozedur wie jedes Jahr

Das Ditzner-Quintett beging in der Schneckenhausener Festhalle sein Zehnjähriges: die Brüder Roland (Tuba) und Bernhard Vanecek
Das Ditzner-Quintett beging in der Schneckenhausener Festhalle sein Zehnjähriges: die Brüder Roland (Tuba) und Bernhard Vanecek (Posaune) sowie Erwin Ditzner am Schlagzeug

„The same Procedure as every Year“, versprach Roland Vanecek in Anspielung auf den Silvester-Sketch „Dinner for One“. Allerdings bezog er sich aufs traditionelle Vor-Silvester-Konzert mit dem Ditzner-Twintett, das am Sonntag in der Festhalle Schneckenhausen sein zehnjähriges Bestehen feierte.

Vaneceks Verweis stimmte nicht ganz. Es gab kein widerspenstiges Tigerfell, über das der Butler stolpert, dafür aber Überraschungsgäste, die zusammen mit dem „Twintett“ ein unbändiges musikalisches Feuerwerk abbrannten. Überraschungsgast Nummer 1 war der erst 14-jährige Frederick Punstein, erster Bundespreisträger bei „Jugend musiziert“ auf der Tuba. Der bescheidene junge Mann, der erst seit zweieinhalb Jahren unter Anleitung seines Lehrers Roland Vanecek mit dem Tubaspiel begann, übertraf alle Erwartungen. Auf dem Sousaphon begann er den zweiten Satz aus Mozarts Romanze Nr. 3 zunächst hauchzart, um dann in eine fulminante, geradezu instrumentüberwindende Technik der eigentlich als schwerfällig verkannten Tuba überzugehen. Dieses Problem löste er mit einfallsreicher musikalischer Eloquenz und mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die die Zuhörer in der voll besetzten Festhalle ein ums andere Mal verblüfften. Ins reinste Hörabenteuer stürzte er dann die Hörer, als er von Mozart nahtlos zum Beatles-Song „Black Bird“ überging und mit geschmeidig perlenden Boplinien reinste Phrasierungsakrobatik demonstrierte. Sicherlich wird man von diesem jungen Musiker noch viel hören. Zweiter Überraschungsgast war die Sängerin Coco Safir aus Wiesbaden. In ihrem langen, hellen Kleid sah sie nicht nur aus wie eine Märchenfee, sie intonierte auch so. Was sie sang, floss aus einem musikalischen wie poetischen Feeling. In dem selbst geschriebenen Song „Madame Coco“ vokalisierte sie moderne Poesie, wobei ihr elegischer Gesang leuchtete wie ihre saphirfarbenen Augen. In dem afrikanischen Song, bei dem das Publikum sie als Chor kräftig unterstützte, sang sie mit Gespür für verhüllte, geheimnisvoll magische Klangwirkungen und Lautmalerei − und entpuppte sich dabei als quirliges Improvisationstalent. Überraschungsgast war auch das Duett „Tantenorhorn“ aus Saarbrücken. Fünf Jahre lang waren die beiden studierten klassischen Musiker Judith und Gustav Reck als Straßenmusiker mit eigenen Kompositionen unterwegs. „Pfälzer Lebensart“ hatten sie sich vorgenommen, musikalisch zu verbreiten. Das gelang ihnen vortrefflich mit dem „Gangsta-Rap“. Während das Publikum aus vollem Hals „Ich hätt’ gerne Pommes mit Mayo und Senf“ röhrte, erreichten die beiden auf dem Tenorhorn eine Flüssigkeit, die der von Trompetern kaum nachstand. Bei grummelnden Down-Growls, schneidenden Riffs und peitschenartigen Linien, kratzig wie durch Sandpapier gefiltert, erzielten sie eine lavaähnliche Power und lösten sich dabei vollkommen los vom Mainstream. Vulkanische Power entwickelten aber auch die drei Protagonisten Roland und Bernhard Vanecek sowie Erwin Ditzner. Das Schlagzeug hat Ditzner praktisch emanzipiert: die rhythmisch-harmonische Funktion nicht aufgebend, aber gleichzeitig die Möglichkeit einer „horn-artigen“ Behandlung pianistischer Linien ansteuernd. Tom Tom und Snare bearbeitete er nicht nur mit Sticks, sondern sogar mit den Füßen, um damit die Klangfarben zu verändern. Zuweilen hatte man das Gefühl, er schlage als „Artist“ hoch oben in der Kuppel des Zirkuszeltes die atemberaubendsten Saltos mortali. Virtuos, flexibel und innovativ musizierten wieder die Vanecek-Zwillinge auf Tuba und Posaune. Da grummelte und tobte Rolands Tuba bei Edvard Griegs „Halle des Bergkönigs“ aus der „Peer-Gynt-Suite“, während Bernhards Posaune geheimnisvoll raunte und growlte. Mit der „seriösen“ Klassik hielten sich die beiden aber nicht auf, sondern jazzten drauf los wie die Teufel. Auch am E-Piano zeigte sich Roland als Meister. Da entsprach bei Smetanas verjazzter „Moldau“ die harmonische Komplexität der rhythmischen Souveränität, mit der er zusammen mit seinem Zwillingsbruder an der Posaune in geradezu traumwandlerischer Übereinstimmung nicht nur Rhythmus-, sondern auch Takt- und auch Tempowechsel nach Belieben vornahm. In humorvoller Weise ließen sie dabei sogar Dave Brubecks „Take Five“ aufblitzen. Der Schneckenhausener Festsaal tobte, heftiger Beifall für alle Beteiligten, selbst nach fast drei Stunden Musizieren noch zwei Zugaben.

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