Kaiserslautern Ergreifende Schlichtheit und große Innigkeit

Ungewöhnlich viele Konzertbesucher beim inzwischen traditionellen Kirchenkonzert der Apostelkirche zum Monatsanfang: Waren die drei sich ideal und kongenial ergänzenden Interpreten bei Programmpunkten aus verschiedenen Gattungen und Genres ein Fingerzeig für Abwechslung − und resultiert daraus die gestiegene Resonanz?

Bei Kompositionen des Barockzeitalters von Antonio Vivaldi (ein Gloria aus „Domine Deus“) und Georg Friedrich Händel (Auswahl der Deutschen Arien) erwiesen sich der Organist Tobias Naumann, Holger Haase (Oboe und Englischhorn) sowie die Sopranistin Ellen Maddaloni als ebenbürtig und vor allem routiniert genug, um am Samstag in der Apostelkirche zu einer homogenen Einheit mit interpretatorischem Konsens zu verschmelzen. Die Sopranistin Ellen Maddaloni traf den Nerv der melodischen Entwicklung und textlichen Aussage und gefiel durch eine tadellose gesangstechnische und intonatorische Reinkultur bei sicherer und sehr leichter Stimmansprache. Dabei interpretierte sie spürbar von der textlichen Aussage her und deutete deren Spannung aus. In den mal virtuos, mal geschmeidig umspielenden Linien des Oboisten fanden diese Kleinodien barocken Ziergesangs mit vielen Umspielungen des Oboisten eine ideale Ergänzung: Die „Neun deutschen Arien“ von Händel vertonen in der kontemplativen Geisteshaltung des frühen Pietismus eine Gedichtsammlung von Heinrich Brocke, die Gotteslob und dankbare Empfindungen thematisieren. Obwohl Händel in der ruhig fließenden und von Ellen Maddaloni subtil ausgekosteten Melodik im Kontrast zu seinen Opern auf deren Pomp und Pathos verzichtet, verwendet er immerhin formal die opernhafte Da-capo-Arie. Diese Synthese aus Konzertform und ergreifender Schlichtheit und Anmut bewältigte das Trio in beglückender Synthese. Dabei verstand sich der kammermusikalisch klanglich zurückgenommene Orgelpart Naumanns mehr als ein Basso-continuo-Gerüst, brachte so die beiden führenden Stimmen in einen bestrickenden Dialog. Mit dem „Gebet der Elisabeth“ aus der Wagner-Oper „Tannhäuser“ blieb die restlos überzeugende Sängerin auch hier bei der kontemplativen, verinnerlichenden und entrückt wirkenden Seite des vokalistischen Vortrags und gestaltete mit großer Innigkeit - über jede Kritik und Anregung durch ihren ausgereiften Gesangsstil erhaben. Seit Jahren lässt Holger Haase mit dem von ihm kunstvoll gespielten Englischhorn aus der Oboenfamilie besonders aufhorchen neben Oboe und Oboe d’amore. Allerdings fasziniert bei dem mit einem besonderen Schallbecher (genannt „Liebesfuß“) und einem S-Bogen als Verbindungsstück ausgestatteten Englischhorn der gedecktere, wärmere und weniger schnarrende und näselnde Klang. Dem Mangel an Spielliteratur hat der Interpret Holger Haase durch eine eigene Bearbeitung abgeholfen: Und zwar mit einer Sonate des Bach-Sohnes Carl Philip Emanuel, der auch als Berliner oder Hamburger Bach bezeichnet wurde. Dessen Sonate − in das Zeitalter der Empfindsamkeit weisend - gewann durch das hauptsächlich im romantischen Sinfonieorchester eingesetzte Englischhorn (etwa bei César Franck) an Klangreizen und an Ausdruckstiefe. Zudem flossen auch hier − wie schon zuvor bei einem Wiegenlied von Jan Rychlik − Solo- und Begleitpart wunderbar zusammen, fein ziseliert und alle Finessen in Nuancen ausdeutend. Und doch gebührt dem als Initiator dieser etablierten Konzertreihe so einfallsreichen und emsigen Programmgestalter und Organisten Tobias Naumann ein Sonderlob: Er machte einmal mehr nachdrücklich bewusst, dass Johann Sebastian Bach nicht nur in seinem kompositorischen Schaffen und dem seiner komponierenden Söhne (neben dem genannten Wilhelm Friedemann, Johann Christoph sowie Johann Christian) weiterlebt. Ebenso auch in seinen Meisterschülern, allen voran Johann Ludwig Krebs, dem Naumann bereits einen kompletten Zyklus gewidmet hat. Während die Bach-Söhne frühklassische Strömungen aufgreifen, bleibt Johann Ludwig Krebs zwar den alten Gattungen wie Präludien, Toccaten und Fugen verbunden, belebt sie jedoch thematisch mit der melodisch empfindsamen Tendenz seiner Zeit. Naumanns Vortrag von dessen Präludium und Fuge in d-Moll verband satztechnische Klarheit und Strenge mit einem weit in die Romantik weisenden Vortragsstil. Spannungs- und emotionsbeladen kamen die Abschnitte daher, monumental und die barocke Spielfreude ins schier Unermessliche steigernd. Dabei zeichnete sich Tobias Naumann durch die präzisen Abläufe bei bestechender Brillanz mit einem packenden gestalterischen Zugriff aus.

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