Kaiserslautern Eine Kiste, eine Kita, eine Kirche, ein Häuschen

Für Ernst Bloch, den Ludwigshafener Philosophen, musste Architektur nicht nur gebaut, sondern auch geträumt werden. Der ökumenische Kirchenpavillon auf der Landauer Landesgartenschau fliegt geradezu. Das Bauwerk der Kaiserslauterer Architekten bayer / uhrig gehört zu den Preisträgern des Wettbewerbs um den Architekturpreis Rheinland-Pfalz des Bundes Deutscher Architekten. Die Auszeichnungen wurden vorgestern in Mainz verliehen. Die Siegerhäuser stehen in Mainz und im Landkreis Trier. Aber auch Pfälzer Projekte zählen zu den Gewinnern.

Leicht Ufo-haft wirkt die schmale Box auf einem Kleinst-Grundstück zwischen Sonst-so-Architektur im Kaiserslauterer Stadtteil Hohenecken. Die Fassade aus Douglasienbrettern. Mehr als zwölf Meter zieht es das Mini-Haus in die Tiefe. Neuneinhalb Meter hoch ragt es in die Höhe. Es steht unvertraut und selbstverständlich am Hang auf dünnen Stelzen. Der Sockel fehlt. Die Traufe an der Schmalseite. Das Schrägdach hat einen Knick. Von der Straße aus betrachtet, ist das „Kleine Haus“ des Stelzenberger Architekturbüros Scheder blickdicht und unzugänglich. Dafür fällt man auf der Rückseite gleich mit der Balkontür ins Haus. Gestrichene Gipsfaserplatten innen. Ahornparkett liegt aus. Im Obergeschoss sind Schlafbereich und Bad. Es gibt drei weitere Fenster außer dem am Eingang; viel zu schauen. Draußen der Wald und die Nachbarschaft, die zurückguckt mit schwindender Verwunderung. Die Eindrücke der Räume variieren zwischen eng, weit, niedrig, hoch, weitläufig. Das Budget soll minimal gewesen sein. Zu Recht also lobt die Jury des Wettbewerbs um den Architekturpreis Rheinland-Pfalz des Bundes Deutscher Architekten (BDA) im Katalog zum Wettbewerb den „ästhetisch forcierten Pragmatismus“ des Architektenbüros Scheder. Der Mut von Bauherr Robert Kasigkeit, etwas Ungewöhnliches zu wagen, wäre vielleicht auch zu erwähnen. Folgerichtig ist also die Anerkennung für beide, Architekt und Hausbesitzer, die am Dienstagabend in Mainz für das „Kleine Haus“ verliehen wurde. Im Landesmuseum. Von Finanzministerin Doris Ahnen. In einem Saal, der den Pragmatismus vielleicht ein wenig zu sehr forciert. Auch waren etliche Stühle leer geblieben. Die Treppe hoch, im ersten Obergeschoss des Landesmuseums, ist eine kleine Ausstellung des Wettbewerbs installiert, mit Teilnehmern und Preisträgern. Zusätzlich hängen Arbeiten der Landes-Konkurrenz um den BDA-Studienpreis aus, der gleichzeitig vergeben wurde. Den Festvortrag der Veranstaltung vorgestern hielt im Übrigen Wolfgang Bachmann. Der Kritiker hat sich vor Jahrzehnten mit dem Verdikt in die hiesige Baugeschichte eingeschrieben, die Architektur im Land sei überaus bieder. Ob das noch so stimmt? Für das Bauwerk des Mainzers Heribert Gies sicher nicht. Der Architekt, der als Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences lehrt, ist einer der beiden Wettbewerbssieger. Die andere Auszeichnung hat das Büro Harter + Kanzler aus Freiburg für einen edlen, pavillonartigen Neubau des Stefan-Andres-Gymnasiums mit Mensa und Bürgerzentrum in Schweich im Landkreis Trier bekommen. Der Bau von Gies, ein heftiges Wohn- und Geschäftshaus, ist pure, eigenständige, konsequente, radikale Architektur. Eine monolithische Kiste aus 36,5 Zentimeter dickem Mauerwerk. Sie steht da, wie eine feste Burg. Grüner Anstrich, abgetrepptes Obergeschoss, die bündig eingelassenen Fenster wirken wie mit Eichenholz gerahmte Einschnitte. Der Zugang in der Gebäudemitte kragt brückenartig heraus. Ungewöhnlich und ungewöhnlich stimmig wirkt das eigenwillige, trutzige, detailverliebte Gebäude, das im Innern flexibel räumlich aufteilbar bleibt. Es hat Haltung. Vom „Mut des Weglassens“ ist im Katalog die Rede. Die Jury sei regelrecht berührt gewesen, erzählte deren Mitglied Markus Allmann vom feinen Büro Allmann, Sattler, Wappner Architekten bei der Preisverleihung. Man fühle sich darin vertraut wie in einem historischen Gebäude. Ein Neubau, der schon Klassiker ist, das hört man ja auch nicht so oft. Aus Pfälzer Sicht ist der Architekturwettbewerb sehr erfreulich gelaufen. Etliche Bauwerke sind in der Ausstellung vertreten. Ein umgebautes Pfarrheim in Otterberg etwa, das John Deere european technology center in Kaiserslautern oder eine sanierte Neurenaissance-Villa in Neustadt. Vor allem: Unter den fünf ausgesprochenen Anerkennungen sind drei mit Pfälzer Beteiligung. Neben dem „Kleinen Haus“ in Hohenecken auch eine vom Kaiserslauterer Büro AV1 Architekten an einen Hang in Alzey gezauberte Kindertagesstätte. Ein eingeschossiger, terrassierter Holzbau mit abgestuften Einzelräumen, der sich durch zwei Rampen im Innern erschließt. Kleine Höfe versorgen sie mit Licht. „Ein einladendes Haus“, meinte die Jury zu der Architektur, die zumindest von außen einer sehr exklusiven Ferienanlage gleicht. Schließlich gehört auch der oval gekurvte ökumenische Kirchenpavillon auf der Landauer Landesgartenschau des Kaiserslauterer Büros bayer / uhrig (RHEINPFALZ vom 15.4.) zu den Gewinnern einer Anerkennung. Der Holzbau, getragen von räumlich gekrümmten Zweigelenkrahmen aus Stahlrohr, die mit Brettschichtholz-Stützen verbunden sind, ist auf einer Betonplatte arretiert. Sie erscheint einem wie ein heller Schatten der luftigen Kirche, die jäh offen steht. Vorne kragt das Dach kühn aus. Im hinteren Teil ist ein Guckloch ins Dach geschnitten. Ein Himmelseinfalltor. Es lichtet göttlich in dem Bau, der an die zeltförmige Stiftshütte der Bibel denken lässt, die sonnenversessene Gotik, barockes Deckentheater oder eine Skulptur. Er fliegt. Von wegen bieder. Das war gestern. Vielleicht.

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