Kaiserslautern Ein Prozess und viele Fragen

Die Vorwürfe wiegen schwer: Über Jahre hinweg soll ein Beamter der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern immer wieder Geld unterschlagen haben, das er eigentlich an die Justizkasse weiterleiten sollte. In mindestens 25 Fällen, so die Anklage, soll der Mann allein zwischen August 2010 und August 2014 mal größere, mal kleinere Summen stattdessen an sich selbst ausgezahlt haben. Das Geld stammte vor allem aus Beschlagnahmungen der Polizei, unter anderem bei Razzien unter Drogendealern. Der Schaden für den Staat liegt bei über 100.000 Euro.

Aufgeflogen ist der mutmaßliche Betrüger im Öffentlichen Dienst nach Informationen der RHEINPFALZ erst durch einen Kollegen, der den Beamten während seiner Krankheit vertrat. Die Überraschung muss ziemlich groß gewesen sein im Justizzentrum am Hauptbahnhof, in dem auch die Staatsanwaltschaft untergebracht ist. Denn der Verdächtige, der im Landkreis wohnt, arbeitet seit langem in dieser Behörde. „Wir waren völlig von den Socken, als wir von den Vorwürfen hörten“, erinnern sich Mitarbeiter noch heute. Sofort nachdem die Vorwürfe gegen das „schwarze Schaf“ in den eigenen Reihen bekannt wurden, ermittelte die Staatsanwaltschaft. Und zwar, aus guten Gründen, nicht etwa die Behörde im eigenen Haus: „In solchen Fällen ist es selbstverständlich, dass wir die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft darum bitten, die Ermittlungen einer anderen Staatsanwaltschaft zuzuweisen“, betont Udo Gehring, Leiter der Lauterer Behörde. „Damit wollen wir auch nur den Anschein vermeiden, dass etwa persönliche Nähe einen Einfluss auf die strafrechtlichen Ermittlungen haben könnte.“ Also übernahm die Staatsanwaltschaft in Zweibrücken den brisanten Lauterer Fall. Der gestaltete sich strafrechtlich nicht allzu schwierig: Der Beschuldigte war nach Informationen der RHEINPFALZ sehr bald geständig, die Beweislage wohl erdrückend. Fehlte nur noch ein Gericht, das die Sache verhandelt. Auch dafür gibt es nach Angaben von Klaus Hartmann, Direktor des Lauterer Amtsgerichts, eine klare Regelung: „Zuständig ist in aller Regel das Gericht, wo sich der Tatort befindet.“ Damit will die Justiz verhindern, dass sich ein findiger Angeklagter oder sein Anwalt einen „passenden Gerichtssitz“ aussuchen. Deshalb erklärte sich das Amtsgericht Kaiserslautern für zuständig. Und gab das Verfahren an eine Amtsrichterin zur Verhandlung, die vornehmlich Wirtschaftsstrafsachen verhandelt. Das wiederum stieß offenbar bei den Zweibrücker Staatsanwälten nicht auf Zustimmung: Die Ankläger legten Beschwerde gegen die Zuständigkeit der Richterin ein, das Amtsgericht Kaiserslautern musste die Verhandlung kurzfristig absagen. Über die Beschwerde der Staatsanwalt Zweibrücken muss jetzt das Landgericht Kaiserslautern entscheiden. Wann das Verfahren wieder aufgenommen wird, war nicht zu erfahren. Dafür hat die Verzögerung zumindest einen Nutznießer: Den beschuldigten Beamten, der jetzt seit rund einem Jahr krankgeschrieben und nicht mehr zum Dienst erschienen ist. Je länger sich sein Strafverfahren hinzieht, desto später muss er den Verlust seines Dienstverhältnisses und seiner Pension befürchten: „Die disziplinarrechtlichen Folgen können wir in solchen Fällen erst ziehen, wenn im Strafprozess die Tatsachen-Feststellungen erfolgt sind“, erläutert Gehring. Ob der beschuldigte Beamte nach einem Jahr im Krankenstand mit gekürzten Bezügen auskommen muss, wollte Gehring „aus Gründen des Datenschutzes“ gestern nicht sagen.

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