Kaiserslautern Ein Genuss für die Sinne

Beim Wohltätigkeitskonzert am Sonntag in der protestantischen Kirche Hohenecken mit der Violin-Solistin Nanna Koch begegnete man Musik, die aufhorchen ließ. Die in Kaiserslautern geborene Künstlerin verlangte jedoch vom Hörer einiges, denn neben Perlen sinnenfrohen Barocks von Bach lud sie mit Werken der zeitgenössischen Musik zum Abenteuer neuen Hörens ein.

Johann Sebastian Bachs Partita III E-Dur BWV 1006 war vor dem farbenprächtigen Glasfenster, das den ganzen Altarraum einnahm, ein Genuss für alle Sinne. Den festlichen Ton dieser Suite aus dem Jahr 1720 legte das Preludio fest, die glanzvollste Etüde in Dreiklangsbrechungen, die Bach geschrieben hat. Bis heute ist sie in ihrer Kompositionskunst, ihrer Vielfalt und inneren Größe, ihrer prallen Lebenslust einerseits und ihrer tiefen Glaubensinbrunst andererseits unerreicht. Die vielfach preisgekrönte Violinistin, die beim Württembergischen Kammerorchester Heilbronn angestellt ist und auch schon bei den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle mitgewirkt hat, steuerte einen Mittelweg zwischen den Extremen der Verausgabung und kontemplativem Stillstand an, ohne die Sinnenlust dieser Musik im mindesten kompromisslerisch zu begradigen. Ihr Ton klagte und jubilierte, trauerte und triumphierte und bestach dabei mit technischer Souveränität und spielerischer Perfektion. Berückend war die enorme Intensität, mit der sie in den Einzelton hineinhörte. Nicht zuletzt stark entwickelt war Kochs Sinn für Dynamik – vom noch im fast unhörbaren Pianissimo stets tragenden Ton bis zum kräftigen, aber kultivierten Zugriff im Forte. Mit feinem Strich begeisterte sie in der mäandernden Gavotte und in den beiden Menuetten, mit markanter Betonung in der Bourrée, und richtig aufregend wurde es in der abschließenden Gigue, wo sie ein rasantes Tempo hinlegte. Eloquente, glasklare Artikulation sowie lebendig atmendes Musizieren, ohne dabei in ein manieristisches Buchstabieren der Partitur zu verfallen, zeigte Koch auch in der Sonate e-moll, op. 27,4 aus dem Jahr 1924 von Eugène Ysaye (1858 bis 1931). Diese Komposition zählt zu den größten Herausforderungen jedes Geigers – sowohl, was die technische Herausforderung betrifft, als auch in Bezug auf das französische Flair und die Musikalität für Violine solo. Koch spielte diesen belgischen Komponisten ungeheuer sauber. Schon das war reines Vergnügen. Zwischen archaischen Arabesken hier und da ließ sie es vor allem im dritten Satz, dem Finale, dämonisch flackern. Das war ein spannendes, durch Zitatenbildung rauschhaft und berauschendes Gegenstück zu dem ungleich berühmteren Bach, zu dessen Hommage die Sonate gedacht ist. Die mit außerordentlichen Schwierigkeiten gespickten drei Sätze bewältigte sie mit Bravour. Ein Meister der Miniaturen ist der ungarische Komponist György Kurtag (geboren 1926). Seine 15 Aphorismen mit dem Titel „Zeichen, Spiele, Botschaften“ (1989 bis 1998) deklamierte Koch einerseits in Farben, wie von Turner gemalt, andererseits von Text-Blitzen durchzuckt, als ritzten glühende Messer die Saiten. Bei „Sätzen“ wie „Hommage an J.S.B.“, „Perpetuum Mobile“, „Klagendes Lied“, „Doloroso“ oder „Ansichtskarten an Anna Keller“, die zum Teil nur ein paar Sekunden dauern, gab die Geigerin ihr Bestes, skandierte, deklamierte. Kräftige Bilder mündeten in lautmalerische Strukturen, in raunende Cluster und flirrende Glissandi. Noch das Leiseste, Zarteste drohte aus allen Nähten zu platzen. Und was war die Botschaft? Wer sich vor der Musik unseres Jahrhunderts nicht fürchtet, war hier bestens aufgehoben. Ihr ganzes Können demonstrierte Koch schließlich in der Paganiniana von Nathan Milstein (1904 bis 1992), dem amerikanischen Komponisten ukrainischer Herkunft. Kunstfertigkeit paarte sich bei den Variationen über Pagininis Capricen mit Natürlichkeit. Begeisterter Beifall. Eine Zugabe.

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