Kaiserslautern Ein deutscher Weltstar

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es ausgerechnet eine in Posen geborene und in Berlin aufgewachsene Preußin war, die dem verstaubten deutschen Kino der 1950er Jahre zu internationaler Noblesse verhalf. Und dies, obwohl Lilli Palmer, die heute 100 Jahre alt geworden wäre, nach ihrer „rassisch“ bedingten Vertreibung aus Deutschland zunächst mit ihrer Schwester in Paris als „Les sœurs viennoises“ firmierte.

Ihr Bühnendebüt gab die Arzttochter 1932 am Hessischen Landestheater in Darmstadt. Dann kam Hitler, und die Palmer ging. Im Emigranten-Schmelztiegel Paris trat sie im „Moulin Rouge“ auf, ließ sich dann aber durch ein Filmangebot nach Großbritannien locken. Melodramen wie „Der letzte Sündenfall“ und die Zweig-Adaption „Ungeduld des Herzens“ (beide 1945) ebneten ihr den Weg nach Hollywood, wo sie zusammen mit ihrem ersten Mann Rex Harrison in der boulevardesken Ehekomödie „Das Himmelbett“ (1952) nahtlos an ihre Erfolge in Europa anknüpfen konnte. Eric Charell – zu Zeiten der Weimarer Republik der Schöpfer opulenter Ausstattungsrevuen und Regisseur des Filmklassikers „Der Kongress tanzt“ – holte sie 1954 für seine Verfilmung der Zirkusoperette „Feuerwerk“ zurück nach Deutschland. Anders als Marlene Dietrich, die vom hiesigen Publikum angefeindet wurde, oder der nach einem unrühmlichen Hollywood-Abstecher mit Häme überschüttete O. W. Fischer wurde Lilli Palmer von Publikum, Produzenten und Kritikern gleichermaßen als heimgekehrter Weltstar empfangen. Den Ohrwurm „O mein Papa“ – das „Feuerwerk“-Thema vom glückseligen Clown – haben vor und nach ihr viele angestimmt. Aber keine(r) tat es mit derart zurückgenommenen Sentiment wie Lilli Palmer. Fernab von jeder Kitschigkeit und dennoch getragen von liebe- und hingebungsvoller Erinnerung an den längst abgetretenen väterlichen Spaßmacher intonierte sie „O mein Papa“ mit Inbrunst, aber ohne tränendrückende Emotionalität, stattdessen mit einer damenhaften Eleganz, die sämtliche Klischees von der missbilligten Zirkusartistin Lügen strafte. Viele Kinogänger der Adenauer-Ära mögen sich bei dem Lied auch der Millionen im Feld gebliebenen Väter erinnert haben. Die Palmer, die inzwischen den aus Argentinien stammenden Schauspieler, Abenteurer und Autor Carlos Thompson geheiratet hatte, wurde nach dem grandiosen „Feuerwerk“-Triumph jedenfalls als „deutscher Weltstar“ gehandelt, auch wenn sie in Paris, London, Rom und Hollywood vor der Kamera stand. Das Rollenfach der zierlichen Frau mit den großen, ausdrucksvollen Augen waren scheinbar alterslose Damen von Welt und Geschmack, im Geist stets großbürgerlich, nonchalant und gesegnet mit einem gerüttelt Maß an Ironie. Sogar wenn sie eine eiskalt falsche Schlange verkörperte wie in „Teufel in Seide“ (1955), als „Anastasia, die letzte Zarentochter“ (1956) vielerlei Drangsal erduldete, sublime weibliche Homosexualität auslotete wie in „Mädchen in Uniform“ (1958) oder eine verbitterte, alternde und betrogene Ehefrau in „Herr auf Schloss Bressac“ (1965) gab: Selbst dann war da immer jene kultiviert-noble Attitüde, die sie auch als Goethe-Freundin in der DDR-Produktion „Lotte in Weimar“ (1975) mit so unnachahmlicher Raffinesse ausstattete. 1986 ist Lilli Palmer, die auch eine eigene Fernsehserie gestaltete und mehrere Bücher veröffentlichte, gestorben. Zwei Jahre später wurde erstmals bei der Verleihung der Goldenen Kamera der „Lilli-Palmer-Nachwuchspreis“ vergeben – angemessene und sehr passende Ehrung für eine markante Filmschauspielerin.

x